Samstag, 20. September 2008

Das Wort aus Stein

Stephan Porombka & Hilmar Schmundt (Hg.): Böse Orte. Stätten nationalsozialistischer Selbstdarstellung - heute

Der Titel ist Programm, der Ansatz kein historischer. In zehn Texten nähern sich zehn Autoren, die allesamt keine Historiker sind, den baulichen Überresten des Dritten Reiches. Die Frage, die dabei im Vordergrund steht, ist die nach der Wirkung der Monumente, des „Wortes aus Stein“, das in der Absicht nationalsozialistischer Propaganda das tausendjährige Reich überdauern und auch nach seinem Untergang von dessen Größe zeugen sollte
Dieser Ansatz hat Vor- und Nachteile. Positiv ist die Lesbarkeit aller Texte. Die meisten liest man gern, sie sind spannend geschrieben und präsentieren den Blick des Nicht-Fachmanns auf das Dritte Reich. Doch damit geht auch das größte Problem des Buches einher. Oft fehlt es den Autoren an Distanz zum Objekt und sie erliegen genau jener Faszination der Orte, die sie - zumindest laut Einleitung - ja eigentlich demystifizieren wollen. Wenn Stefan Porombka in seinem Text über Hitlers Autobahn nicht müde wird zu betonen, dass es sich bei den gängigen Aussagen zum Thema Reichsautobahn (sie haben Arbeitsplätze geschaffen und dienten zur Vorbereitung des Krieges) um Mythen handelt, sollte er dies auch belegen. Stattdessen legt er seinen Focus aber lieber auf die Beschreibung des Ambientes eines im Wald vor sich hin verwitternden Abschnittes Reichsautobahn und trägt damit nicht zur Versachlichung des Themas bei.
Entsprechend fand ich den Text am besten, der sich neben aller atmosphärischer Schilderung auch um eine angemessene Einbettung der Fakten bemüht. Jürgen Trimborn stellt diese in seinem Text zum Berliner Olympiastadion zunächst zusammen und nähert sich dem Bauwerk dann in zehn „Ortsbegehungen“ zu unterschiedlichen Zeiten. So entsteht im Laufe des Lesens ein Eindruck von der Ambivalenz der Wirkung des Stadions und des Umgangs mit ihm.
Am anderen Ende der Skala beweget sich ein Text von Zeit-Autorin Jana Simon, die weniger Interesse am „Musterdorf Alt Rehse“ als an der sich dort in der Gegenwart abspielenden Provinzposse hat. Der geschichtsferne Jung-Bürgermeister und der verbitterter Ex-Bürgermeister liefern sich hier einen Kleinkrieg um den Umgang mit der Vergangenheit. Was Simon daraus macht, ist routinierter Journalismus ohne Erkenntniswert.
Richtig unerträglich ist der Text von Berufs-Querdenker Henryk M. Broder, der seine paar Seiten zum Führerbunker zum Aufwärmen der Debatte um das Holocaust-Mahnmal nutzt und hierzu, wie man es von ihm kennt und erwartet, auch mit einer ganz eigenen und gegen den Konsens gerichteten Meinung aufwarten kann. Gähn.
Die größten Probleme und das größte Vergnügen hatte ich mit Hilmar Schmundts Aufsatz zum Obersalzberg. Denn Schmundt bietet hier Einblicke in den Gruseltourismus zu Führers Urlaubsdomizil, die einen schaudern lassen. Nur leider erliege ich so einem Schauder gerne. Es ist diese Mischung aus Faszination und Ekel, die mich bisweilen auch motiviert "Frauentausch" oder die "Super-Nanny" zu schauen. Die Lust an Dummheit und Stumpfsinn der Anderen. Nur dass es eben etwas anderes ist, dem Prekariat mit leicht sadistischem Genuss bei der Selbstentblößung zuzuschauen, als sich angesichts des unbefangenen bis steindummen Umgangs seiner Landsleute mit der eigenen Geschichte wohlig zu gruseln. Hier hat mir die Distanz zur Materie gefehlt, aber ich wälze jede Verantwortung auf Herrn Schmundt ab und gehe sogar so weit zu sagen, dass es genau dieser Mangel an Distanz auch ist, der das Buch insgesamt zur kurzweiligen Lektüre, aber nicht wirklich zu einem seriösen Unternehmen macht.

Und wer so weit gelesen hat, darf sich jetzt mal überlegen, wie witzig er das findet:

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