Sonntag, 12. Oktober 2008

Die Handhabung der Untoten

John Ajvide Lindqvist: So ruhet in Frieden

Auch wenn mich der Fantasy-Filmfest-Hit „Let The Right One In“ nicht uneingeschränkt entzückt hat, so hat mich die Story immerhin neugierig auf den Autor der Romanvorlage gemacht. Dem FFF sei dank, denn sonst hätte ich John Ajvide Lindqvists 2005 in Schweden erschienenen und jetzt auf in deutscher Übersetzung vorliegenden Roman „So ruhet in Frieden“ vermutlich nie gelesen. Der Bastei-Verlag vermarktet das Buch in Optik und Beschreibung hilflos als Schweden-Krimi bzw. „Thriller“, obwohl bereits innerhalb der ersten 50 Seiten klar wird, dass man es hier mit einer weitaus bedrohlicheren und schwerer goutierbaren Geschichte zu tun hat.
Lindqvists Buch ist ein Zombie-Roman, der allerdings Filmen wie dem französischen Les Revenants vom Fantasy Filmfest 2005 näher steht als Romero oder Resident Evil, selbst wenn ironische Verweise auf letztere bemüht werden. Die regionale und zeitliche Begrenzung der Rückkehr der Untoten (nur in Stockholm und nur Tote, die in den vergangenen zwei Monaten gestorben sind, erwachen wieder zum Leben) verhindern ein allzu ausuferndes apokalyptisches Szenario. Stattdessen bleibt genügend Raum für die Frage, wie die Hinterbliebenen damit umgehen, wenn die betrauerten Toten plötzlich wieder leben - allerdings körperlich, geistig und emotional extrem eingeschränkt. Dabei stehen drei Fälle im Vordergrund, wobei in einem Fall der Untote schnell keine Rolle mehr spielt und eher die generelle Bedeutung der Ereignisse für dessen Hinterbliebene (Enkelin und Ehefrau) ins Zentrum des Interesses rücken. Dabei werden auf 450 Seiten en passant Fragen nach dem Umgang mit Verlust und Trauer, nach Schuldgefühlen von Eltern und Kindern, nach Religion und Rationalität, nach Sterblichkeit, Seele und Leben nach dem Tod behandelt, und das alles bei - weitgehend - durchgehaltener Spannung, in grandios düsterer Atmosphäre und mit bisweilen zünftigen Effekten. Keine Sorge also, der Roman ist kein intellektueller Diskurs, sondern macht Spaß und unterhält, bei entsprechender Affinität zum Genre, großartig.
Eher als Henning Mankell und Konsorten drängt sich also der Vergleich zu Stephen King auf. Lindqvist hält diesem Vergleich mühelos stand, da er ein intellektuell größeres Kaliber darstellt, auf Fäkalhumor verzichtet und nicht im letzten Drittel seines Buches die Lust am eigenen Roman verliert und ein hanebüchenes Ende zusammenschustert (ich sage nur „Es“). Ich hätte nicht gedacht, dass mich ein Roman aus dem Horror-Genre noch mal so packt, wie dieses Buch. Eine glatte Empfehlung also!

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