Sonntag, 12. Oktober 2008

Mein Ausflug ins Reich der Schmöker

Carla Banks: Der Wald der toten Seelen

Ich wollte es wissen. Was schreibt da eine mir unbekannte Autorin auf 450 Seiten? Auf dem Cover drei Holzkreuze, etwas sehr grell ausgeleuchtet, in einem düsteren Wald. Und ein Thriller soll es sein. So was schmökern also Leseratten weg. Von so was reden Lehrer, Feuilletonisten und Elke Heidenreich, wenn sie ihr „Hauptsache lesen“ postulieren und damit meinen, dass wenn‘s der Pöbel schon nicht schafft einen Thomas Mann oder J. W. v. Goethe zu lesen, er doch lieber noch Bücher einer Frau Banks lesen sollte als "Frauentausch" zu schauen.
Jetzt habe ich das Buch hinter mir, und eigentlich war es gar nicht so schlimm. Auch wenn man von den 450 Seiten gut und gerne mal 150-200 komplett hätte weglassen können. Auch wenn die beiden Hauptfiguren Faith (Geisteswissenschaftlerin, gutes Herz, leicht naiv und eigentlich einsam) und Jake (Journalist, Draufgänger, so wie sich eine frustrierte 40jährige den Mann ihrer Träume vorstellt) auf diesen 450 Seiten nichtssagend und farblos bleiben. Auch wenn die eigentliche Krimihandlung (Aufklärung eines Mordfalls) das Niveau eines durchschnittlichen Tatorts nicht übersteigt.
Carol Banks ist Dozentin für Creative Writing, und genau das ist ihr Problem. Plot, Situationen, Aufbau und die Mehrzahl der Figuren folgen klaren Regeln. Jedes größere Risiko wird vermieden, und man kann der Handlung auch dann immer noch mühelos folgen, wenn nebenher im Fernsehen eine Kochsendung läuft oder sich kleine Kinder im Sandkasten im Hof lautstark gegenseitig die Plastikschäufelchen über den Schädel ziehen. So schreibt jemand, der sein Handwerk beherrscht, dem aber jeder Anflug von Genius fehlt. Das meinte wohl auch der Rohwolt-Verlag und hat dem Buch eine entsprechende Übersetzung besorgt, in der beispielsweise aus „Her heart sank“ Wort für Wort „Ihr Herz sank“ wird.
Gelungen sind allerdings die kurzen Passagen am Ende mancher Kapitel, die im Stil eines Märchens die Lebensgeschichte einer Randfigur erzählen. Diese Passagen ragen stilistisch über die Konfektionsware, die das Buch ansonsten bietet, hinaus und zeigen, dass ein bisschen mehr Mut zum Experiment dem Roman ganz gut getan hätte.
Dass mich das Buch dennoch bei der Stange gehalten hat, lag vor allem am historischen Hintergrund der Geschichte, der bei der Suche nach Mörder und Motiv zunehmend an Gewicht gewinnt. Die Spur führt hier ins Weißrussland der 30er- und 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts, eine Zeit, in der in diesem Land zunächst unter stalinistischer später unter nationalsozialistischer Diktatur ein Viertel der Bevölkerung ermordet wurden und die viele Menschen vor die Wahl nach Überleben oder Bewahrung der eignen moralischen Integrität gestellt hat. Hier gelingt Banks eine solide Auseinandersetzung mit dem Thema, in der sich Gut und Böse, Schwarz und Weiß im Verlauf der Geschichte wohltuend zu Grautönen vermischen.
Und insofern stimmt es natürlich völlig: besser dieses Buch lesen als "Frauentausch" schauen.

Da natürlich - natürlich! - keiner, der das liest, jemals "Frauentausch" gesehen hat, hier mal ein Eindruck:

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