Dienstag, 14. Oktober 2008

Comeback of the Year

Eskobar im "Nachtleben" in Frankfurt

Das Wohnzimmer ist gut gefüllt. Das ist schon mal ein gutes Zeichen, denn ich habe im, euphemistisch ausgedrückt, überschaubaren Frankfurter “Nachtleben” auch schon Konzerte vor gefühlten 10 Zuschauern erlebt. Die inzwischen in Vergessenheit geratenen The Crash fallen mir ein, ebenso wie Eskobar Skandinavier und auch musikalisch, mit ihren eingängigen Songs, durchaus vergleichbar. Aber offenbar haben die Schweden Eskobar den Finnen The Crash zwei Dinge voraus. Den noch nicht vergessenen Semi-Hit “Soemone New” und den Boyband-Faktor, für den wohl vor allem Sänger Daniel Bellqvist (weckt Mutterinstinkte) und Gittarist Frederik Zäll (weckt Abenteuerlust) stehen. Und so ist die erste Reihe an diesem Abend von mehr oder weniger jungen Damen bevölkert, die eifrig Fotos schießen und auf ihren digitalen Kompaktkameras Lieder mitschneiden. Überhaupt ist das Männer-Frauen-Verhältnis im Vergleich zu sonstigen Indie-Konzerten eher umgedreht.
Na gut, ist es eben Mädchenmusik, die Eskobar anderthalb Stunden lang spielen. Vor allem ist es Popmusik. Nicht die Art von Popmusik, die Wiglaf Droste bezogen auf Phil Collins so treffend als “Mc Donald’s für die Ohren” beschreibt und die die deutsche Radiolandschaft dominiert. Auch nicht die Art von Pop, über die abgebrochene Soziologie- und Germanistik-Studenten allmonatlich in Intro und Spex Diskurse führen. Es ist Popmusik im besten Sinne, für die Eskobar stehen. Songs, die nicht weh tun, nicht weh tun wollen, sondern im Gegenteil harmonisch, geschlossen und einfach schön sind. Ein Sänger, der sich nicht als Hochleistungssportler begreift, sondern sein handwerkliches Können unaufdringlich und selbstverständlich einsetzt. Musiker, die als Band auftreten und ihre Songs perfekt darbieten - was für ein cooler Schlagzeuger Robert Birming ist und wie ausgefeilt seine Beats manchmal die Harmonie von Gitarre und Stimme konterkarieren, wurde mir gestern zum ersten Mal so richtig bewusst. Pefektionismus und Glätte könnte man Eskobar natürlich vorwerfen, doch an diesem Abend gibt es genug Rückkopplungen und Einsätze eines leicht gestresst wirkenden Roadies, so dass dieser Kritikpunkt nicht zieht.
Auch am Set gibt es nichts zu meckern. Dass im Zuge des neuen Albums “Death in Athens” Uptempo-Stücke dominieren, kommt mir entgegen. Mit der letzten Platte hatte ich so meine Schwierigkeiten, da sie selbst für Eskobar-Verhältnisse sehr, sehr, also wirklich sehr ruhig war. Jetzt aber mischen sich neue, treibende Songs wie “Flat Earth” oder “Hallelujah New World” mit den eher zurückhaltenden Stücken. Nur zweimal im ganzen Set nimmt Gittarist Daniel mit der Akustischen Platz - wobei er etwas sehr unmännlich sitzt, was aber in sympathischen Kontrast zu seinen Oberarm-Tatoos und den Totenköpfen auf Krawatte und Schuhen steht - ansonsten geht es so zur Sache, dass Sänger Daniel gleich mehrfach mit Eskobars neuer Nähe zum Heavy Metal kokettiert.
Dass ich ein alter Sack bin, wurde mir daran klar, dass mir vor allem bei den Songs der ersten beiden Alben das Herz aufging. Mit emotionalen Wallungen bei “Someone New” hatte ich schon gerechnet, aber auch “Why London?”, “Tumbling Down”, “Good Day For Dying” und vor allem “She’s Not Here” gingen mir nah. Eskobar haben einfach schon viele richtig gute Songs geschrieben. Umso mehr hätte ich auf das Abba-Cover “Knowing Me, Knowing You” in der Zugabe verzichten können. Das war etwas zu arg auf einen wie auch immer gearteten Kultfaktor geschielt. Zwar war der Song mehr Eskobar als Abba, aber dennoch: “Why Abba?”. Bloß weil’s Schweden sind? Da hätten sie doch lieber mal ein The-Crash-Stück wieder zum Leben erwecken können. Auch wenn die Finnen sind.
Achso, und ganz vergessen habe ich jetzt die exzellenten Outfits der Band. Rot und schwarz hieß das Motto, wobei Gitarrist Frederiks bereits erwähnten Totenkopfschuhe einen Höhepunkt darstellten, aber auch das rot-weiß gestreifte Longsleeve-Schlafanzug-Oberteil von Schlagzeuger Robert gefiel mir, da es in seiner Schluffigkeit einen schönen Kontrast zur gediegenen Eleganz von Sänger Daniel und zum Rote-Fliege-auf-schwarzen-Hemd-Arrangement des mir unbekannten, an einen Jungpfarrer erinnernden Keyboarders stand. Kein Wunder also, dass nicht nur ich, sondern auch die Groupies aus der ersten Reihe voll auf ihre Kosten kamen. Diese standen dann auch folgerichtig nach Ende desKonzertes immer noch vor der Bühne, als der männliche Teil des Publikums schon Richtung Treppe ging.

Viele Stücke des Konzertes finden sich bereits auf You-Tube - leider eben in der üblichen You-Tube-Qualität. Hier z. B. "She's Not Here". Man beachte den Entzückensschrei zu Beginn. Groupies halt...



Eine offensichtlich von Manu Chao inspirierte Version von "Tumbling Down" von Eskobars sympathischen Live-Bassisten Patricio Cabeza gibt es hier.

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