Samstag, 13. September 2008

Families and how to survive them

Mum & Dad - Fantasy Filmfest 2008 (2/5)

Ich mag sie einfach, die Briten. Zu Weihnachten setzen sie sich lustige Papierkrönchen auf, ihre Daily-Terror-Yellow-Press-Postillen sind ihnen heilig und zum Frühstück gibt’s lecker Würstchen. Mum & Dad zeigt irgendwie schon die ganz normale englische Working Class Familie – nur eben in ihrer pervertierten Form.
Nun stimmt es natürlich, dass degenerierte und perverse Familien einem von The Hills Have Eyes über Mother’s Day bis zu The Devil’s Rejects in Horrorfilmen immer wieder begegnen. Den Reiz von Mum & Dad aber macht das Abartige in der Normalität aus. Da läuft während des Familienfrühstücks ein Porno und die Weihnachtsdekoration lebt noch. Da herrscht die klassische Rollenverteilung im Sinne von „Warte nur, bis dein Vater nach Hause kommt“ und „So kannst du mit deiner Mutter nicht reden“, nur dass die elterlichen Sanktionen über Fernsehverbot und Stubenarrest weit hinausgehen. Da ist die ältere Schwester eifersüchtig auf das „Neugeborene“, nur dass das neue Geschwisterchen die entführte Putzfrau Lena ist, die zwangsweise in die Familie aufgenommen wird, weil sich Mum doch so sehr noch ein weiteres kleines Mädchen gewünscht hat. Es ist dieses Zusammengehen von Vertrautem und Perversen, das in Mum & Dad hervorragend funktioniert und das den Film auf eine unangenehme Art faszinierend macht.
Dazu tragen vor allem auch die Schauspieler bei. Dad Perry Benson verstand es schon in This Is England die bedrohlich dumpfe Type zu geben, hier legt er noch mal einen drauf. Mum Dido Miles ist eine beunruhigende Mischung aus Mütterlichkeit und Altersperversion. Und absolut genial fand ich Ainsley Howard als Birdie, die ständig plappernde, hinterhältige „große Schwester“ der entführten Lena; eine Frau Anfang 20, die auf dem geistigen Level einer 13jährigen stehen geblieben ist, und in der sich Hang zur Intrige, Gefallsucht und Sadismus zu einem wahrlich miesen Charakter verbinden.
Bleibt die Frage: was will dieser Film? Gesellschaftskritik a la Funny Games? Wohl kaum, denn dafür macht der Film streckenweise – ich schäme mich fast es zu sagen – zuviel Spaß und verfolgt insgesamt keine erkennbare Botschaft, die er unter die Leute bringen will. Also eher Tabubruch, Aufreger und ein bisschen vom Torture-Porn-Boom profitieren? Würde ich auch nicht so sehen, denn dafür ist der Film dann wiederum zu intelligent gemacht und schöpft das in der Geschichte angelegte Folterpotential – zum Glück – nicht aus. Am ehesten ist Mum & Dad daher vermutlich ein Stück Psychohygiene für alle Familiengeschädigten; ein Film, an den man sich an einem Weihnachtsabend erinnert, an dem es mit der herbeigesehnten Familienharmonie mal wieder nicht so klappt, und der einem dann ein wissendes und gelassenes Lächeln auf die Lippen zaubert.

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