Sonntag, 22. Dezember 2013

Königs Lieblinge 2013 - Track by Track



01 Dagobert: Ich bin zu jung
Indie-Schlager. Na ja, beim ZDF-Fernsehgarten wurde der junge Herr auch gesichtet und Andrea Kiewel machte nicht den Eindruck, als nähme sie da ein ironisches Indie-Augenzwinkern wahr. Nichtsdestotrotz: der Text, die Intonation, das entsprechende Video dazu und die ohrwurmartige Michael-Holm-Musik sind ein großer Spaß und machen Dagobert zu meinem One-Hit-Wonder des Jahres.


02 When Saints Go Machine: Iodine
Weitaus nachhaltiger ist natürlich die komplexe elektronische Musik dieser Dänen. Markant der Falsett-Gesang, den man entweder liebt oder… eben nicht. Immer mal wieder gelingt den Herren auch ein echter Hit. Nach “Kelly“ anno 2011 war es dieses Jahr dieser hier.

03 Balthazar: The Oldest Of Your Sisters
Ach, erwähnte ich schon, dass ich sie schon vor Jahren als Vorband von dEUS sah und dass sie dort den alten Hasen doch glatt die Show stahlen? Schon 2012 wurde mit einem zweiten Album nachgelegt, das mir erst in diesem Jahr so richtig zu Bewusstsein kam. Ein Glanzlicht dabei dieser Song. Unverschämt eingängig, und doch mit Ecken und Kanten. 

04 Intergalactic Lovers: Delay
Unverschämt eingängig auch dies hier. Nach Balthazar noch eine junge, belgische Band mit hohem Sympathiefaktor und einer Sängerin, deren Stimme ich ja zum dahinschmelzen finde. Und ihr eckiges Rumgetanze auf der Bühne ist auch echt süß. 

05 Arthur Beatrice: Carter (Cut)
Womit wir bei einer der Bands des Jahres 2014 wären. Ja, 2014, denn dann wird endlich ihr Album erscheinen, für das sich die Briten erfreulich viel Zeit genommen haben. Erstmals auf dem Maifeldderby im Mai wahrgenommen, gab es über die letzten Monate immer mal wieder ein Häppchen, das Lust auf mehr macht. Eleganter kann Popmusik nicht sein und der Schmelzvorgang geht bei dieser Stimme noch weiter.

06 Local Natives: Ceilings
Musikalisch der Höhepunkt des diesjährigen Phonopop-Festivals. Noch mehr schöne Musik, hier von einer Band, die tatsächlich noch Alben produziert, die wie aus einem Guss wirken. Keine leichte Auswahl also, aber “Ceilings“ vermittelt die Leichtigkeit und Luftigkeit und das Gefühl des Sommerabends, an dem ich die Band hören durfte, am besten.  

07 Toy: Motoring
Etwas handfester geht es bei Toy zur Sache. Live sogar massiv handfester. Haare und epischen Gitarrenkrach habe ich in Erinnerung vom Auftritt dieser Briten auf dem Maifeldderby. Hypnotisch und psychodelisch ohne dumm bekifft zu wirken. Dieses Livegefühl findet sich auch auf der Platte, doch sind hier die Songs erkennbarer, melodischer und zugänglicher, wie “Motoring“ zum Beispiel.

08 Yeasayer: Reagan’s Skeleton
Keine Ahnung mehr, wo ich den aufgeschnappt habe, aber „Reagan’s Skeleton“ ist wohl mein am meisten gehörter Song des Jahres. So manche Autofahrt zur Arbeit wurde mir von der Vorstellung des tanzenden Skelettes des vormaligen US-Präsidenten im Mondlicht versüßt. Was sagt das über mich, mein Geschichtsverständnis und meine Arbeitsstätte? Keine Ahnung. Spitzensong jedenfalls.

09 Tristesse Contemporaine: Fire
Da sind sie wieder, meine Helden des letzten Jahres. Eine EP und eine LP gab es in diesem Jahr, das zweite Album ist sogar in Deutschland erhältlich und wurde vom unverwüstlichen Referenz-Heftchen “Intro“ sehr wohlwollend wahrgenommen. „Da geht noch was“, freut sich der Berufsjugendliche. Neben dem genialen “Waiting“ ist “Fire“ der nachhaltigste Song des Albums, der zeigt, dass das Konzept mit der 80s-Flair-Elektro-Monotonie auch in 3:20 Minuten aufgehen kann.

10 Daft Punk: Giorgio By Moroder
Ja, von mir aus ist es prätentiös, einen 9-Minuten-Song über Giorgio Moroder zu machen, in dem der gute Hans-Jürgen (Südtiroler) erst mal in einer Art interview-Situation selbst zu hören ist und dann eine musikalische Zeitreise von den Synthisizer-Sounds der 70er bis in die 2000er unternommen wird. Ich finde es genial. Bester Daft-Punk-Song… ja, ich trau mich, es zu sagen… ever.

11 Jeans Team: Scheiss drauf
„Ich bin Künstler, kein Kellner. Ich muss nicht bedienen“. In diesem Sinne äußerten sich Jeans Team über ihr diesjähriges Album “Alkomerz“ und ich sage: Chapeau. Denn die Fans nicht mit einem weiteren “Keine Melodien“ oder “Cocktailständer“ glücklich zu machen, sondern mit schlimmstem Ballermann-Kindergarten-Musik-Gedresche erst mal vor dem Kopf zu stoßen macht durchaus Sinn, wenn man z. B. den Weg der Band Deichkind vom subversiven “Aufstand im Schlaraffenland“ in Karlsruher Kleinclubs zum mallorcakompatiblen Assikrawall à la “Arbeit nervt“ verfolgt. Haltet den Partypeople den Spiegel vor - und macht Party mit denen, die furchtlos genug sind. Ich danke an dieser Stelle, dem furchtlosen Kollegen Herr für seine Werbeoffensive für den neusten Output unserer beiden Lieblinge. Am Ende hatte er mich so weit, dass ich dem Titel des hier gewählten Songs entsprechend nachgab und mich – zumindest in kleinen Dosen – für “Alkomerz“ erwärmen konnte. Oh, und übrigens auch hier ein Spitzenvideo! 



12 Junip: Your Life, Your Call
Nein, die massiven Erwartungen, die der Vorgänger geweckt hatte, konnte Junips 2013er-Album nicht erfüllen. Im Gegenteil: mit “Walking Lightly“ scheint das Ende der Fahnenstange des Konzeptes Folkbarde meets Moog-Elektronik erreicht. Hier kippen sogartige Wirkung und Intensität der Songs in eine Hare-Krishna-Lachnummer, die einen beklemmt zurücklässt. Umso wichtiger mit “Your Life, Your Call“ noch mal einen der wirklich, wirklich guten Songs in die Jahrescharts zu hieven.  

13 Amatorski: Soldier
Die Platte, die mit jedem Hören wächst. Gerade mal sieben Stücke hat das Album “tbc“ dieser jungen Belgier (!), von denen aber vier, na, vielleicht sogar fünf ihren Weg auf diese Sammlung verdient hätten. Erst sollte es tatsächlich auch “22 November“, das aus CD-Platz-Gründen dann noch in letzter Minute gegen diesen Song getauscht wurde. Melodisch, melancholisch, angenehm elektronisch, Musik zum Zuhören. 

14 Rock Plaza Central: Hymn For The Already Defeated
Eine grandiose Zwei-Minuten-Hymne des Scheiterns, Titeltrack des Super-Low-Budget-Zombiefilms “The Battery” vom diesjährigen Fantasy Filmfest. Mein Soundtrack des Jahres.



15 Sea + Air: Do Animals Cry?
Mit diesem Pärchen hatte ich ja bisher so meine Probleme: das Szene-Getue, das „Very-Berlin“-Gehabe, das Schnurrbärtchen. Allein, die Musik ist wirklich schön, das Album sehr gelungen und “Do Animals Cry?“ überrascht am Ende mit dynamischer Dissonanz. 

16 Bloodgroup: Fall
Anders als erwartet fahren Bloodgroup im Jahr 2013 den Elektro-Krawall runter und geben sich wave-iger, düsterer und melancholischer. Das klappt nicht immer, aber in “Fall“ geht das Konzept voll auf.  

17 Arthur Beatrice: Grand Union
So groß ist mein Zutrauen in diese Band, dass ich sie gleich noch einmal auf die Jahrescharts packe. Ein weiterer perfekter Song, dieses Mal mit männlicher Stimme im Vordergrund. 2014 wird ihr Jahr, take my word for it.

18 Die Sonne: Es funktioniert einfach nicht
Ja, lustig. Wolke heißt jetzt Die Sonne. Neu ist, dass Oliver Minck und Benedikt Filleböck jetzt einige Musiker mehr um sich scharen und der Sound so, zumindest hier, wesentlich voller klingt. Ansonsten sind Text und Stimme schon sehr vertraut, was mich nach meiner Vorliebe für die beiden Herren im Jahre 2012 aber eher freut. Sollen sie sich doch nennen, wie sie wollen, und von mir aus die ganze Wetterkarte einmal durchgehen.  

19 Erdmöbel: Club der senkrecht Begrabenen
Last Minute Entry aus alter Gewohnheit. Und schlecht ist das ja beileibe nicht, was Erdmöbel da im Jahr 2013 vorlegen. Die logische Fortsetzung von “Krokus“ und letztlich, und das ist vielleicht mein Problem,  all der anderen Platten der letzten 10 Jahre. Die Feuilletons jedoch tun einmal mehr so, als gäbe es hier etwas völlig Neues zu entdecken und schreiben die Lobeshymnen voneinander ab, und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darf die Band auch auftreten: im MoMa und bei MDR-Figaro zum Beispiel, wo sie dann auf Moderatoren treffen, die sich nicht entblöden, die Texte der Band als „Neo-Dada“ zu bezeichnen. Aua, aua, aua. Mein Mitgefühl an alle Beteiligten.  

20 Sin Fang: What’s Wrong With Your Eyes?
Sindri Már Sigfússon, der Herr, der sich hinter Sin Fang verbirgt, ist auch ein Künstler und kein Kellner. Zwei brillante Live-Auftritte durfte ich dieses Jahr mit ihm sehen, einmal total übermüdet mit Band, einmal allein autistisch an Reglern drehend im Vorprogramm von Múm. In beiden Fällen trat der Herr für ein, zwei Songs zudem mit seinem Support-Act (Pascal Pinon) bzw. dem Main-Act auf. Kaum jemand hat für mich dieses Jahr so sehr ausgestrahlt, dass er Musik lebt, daher gebührt ihm der Abschlussplatz der diesjährigen Jahrescharts. Denn ab und an gelingen ihm auch echte Hits wie dieser hier. 

Keine Kommentare: