"Drive II" ist der Film des Jahres. Ach nee. Den gibt es ja gar nicht. Und das, obwohl der Film von so vielen Kinofreunden herbeigesehnt wurde. Only God Forgives verstörte die meisten und nur eine cineastische Avantgarde (Bernd Begemann und Kay Otto) fand den Film uneingeschränkt gut. Ich konnte mich bislang nicht durchringen, ihn zu sehen. The Place Beyond The Pines weckte im Trailer Hoffnungen, enttäuschte aber als schwerfälliges und langatmiges Cop-Gangster-Drama mit gewolltem Tiefgang. Da konnte auch Ryan Goslings Dackelblick nichts retten.
Nein, es fällt nicht leicht, den einen Film des Jahres 2013
im Sinne eines herausragenden, bleibenden, zukünftigen Klassikers vom Schlage
"Drive" zu finden. Doch statt eines Paukenschlages gab es im Jahr 2013 viele
kleine, nachhaltige Filme, die mir jetzt zwischen den Jahren wieder ins
Gedächtnis kommen.
Da ist zuallererst No! zu nennen, ein Film über die
Werbekampagne gegen den chilenischen Staatschef Pinochet in den 1980er-Jahren
und einer der seltenen Fälle, in denen ein Film mit einem politischen Thema
auch optisch ein wahres Fest ist. "No!“ ist spannend als Film über jüngere
chilenische Geschichte und zugleich über die Mechanismen von Werbung und
politischer Propaganda. Formal ist er interessant, weil er die Videoästhetik
der 1980er-Jahre konsequent als ästhetisches Mittel nutzt. Euphorisiert
empfahl ich den Film nach dem Kinobesuch allen politisch Interessierten und
Fans des 80er-Jahre-Langnese-Werbespots "Like Ice in the Sunshine“. Ich tue das immer noch
und meine es ganz ernst.
Ein optisches Fest und eine unbedingte Empfehlung ist für mich auch Blancanieves. Ein Stummfilm in Schwarz-Weiß? War da in den letzten Jahren nicht schon mal so ein Film? Sicher, aber "Blancanieves“ ist kein zweiter "The Artist“. Der Film erzählt das bekannte Schneewittchen-Märchen vor dem Hintergrund von Stierkampf-und Flamenco-Kultur. Er ist letztlich eine Liebeserklärung an diese Kultur und an Spanien überhaupt. Bilder wie gemalt und Musik, die stets mehr ist als ein Soundtrack, eine Ausstattung mit Liebe zum Detail und exzellent besetzte Darsteller, ach, es stimmt einfach alles hier. Anders als mit "Beasts oft he Southern Wild“ im vergangenen Jahr bewies das Fantasy Filmfest Publikum hier Geschmack und würdigte den wirklich besten Film mit dem Fresh Blood Award. Und einen deutschen Kinostart soll es angeblich auch noch mal irgendwann geben.
Der dritte Film im Bunde, für den ich nur die Höchstnote
zücken kann, ist Brian de Palmas Alterswerk Passion. Nein, kein Scherz. Über
kaum einen Film las ich dieses Jahr so viel Schlechtes. Von mir aus. Ich mag
De Palma, und zwar vor allem, wenn er auf glaubwürdige Charaktere und logische
Handlungsentwicklung pfeift und seine Fetische auslebt: Sleaze-Ästhetik,
fragwürdige Frauenbilder, stilisierte Szenen, die längst nicht mehr Hitchcock
nacheifern, sondern früheren De-Palma-Filmen. War das französische Original der
elegante Machtkampf zweier Karrierefrauen, nicht ohne Sozialkritik und mit
gediegener Thrillerhandlung, ist De Palmas Version so überzogen und trashig,
dass der Film jeglichen Anspruch auf Realismus zunehmend vernachlässigt und zu reinem Kino wird. Ob man
diese Art von Kino mag, muss jeder selbst entscheiden, aber De Palma war sich
selbst schon lange nicht mehr so nah wie in "Passion“
Ansonsten waren es erstaunlicherweise eher Dokumentationen,
die mich in diesem Jahr am meisten beeindruckten. Vergiss mein nicht ist das
berührende Porträt einer demenzkranken Frau, die zugleich die Mutter des
Regisseurs ist, was dem Film eine Nähe und Emotionalität gibt, der man sich als
Zuschauer nicht entziehen kann. Alphabet sagt letztlich alles zum Thema
Erziehung und Bildung im frühen 21. Jahrhundert und prangert engagiert
Standardisierungs- und Leistungswahn an:
"Die Verkürzung des Lebens auf die Ökonomie ist eine der schlimmsten
Entwicklungen unserer heutigen Zeit". Das sagt in dem Film ein
Ex-Personalchef der Telekom. Winternomaden schließlich zeigt, dass nicht nur
große gesellschaftliche Themen Stoff für Dokumentarfilme liefern. Der Film
zeigt die Winterwanderung zweier Schäfer mit ihrer Herde. Punkt. Und irgendwie
doch nicht, denn ganz nebenbei findet man sich als Zuschauer hier immer mal wieder mit
dem eigenen Lebensentwurf konfrontiert.
Natürlich gab es auch im Mainstream-Kino so manche Perle.
Argo wurde sicherlich nicht zu Unrecht mit einem Oscar bedacht: erfreulich sorgfältig ausgestattet und
spannend inszeniert – gegen den Regisseur Ben Affleck kann man wirklich nichts
haben, und selbst der Schauspieler Ben Affleck ließ sich hier ertragen. Life
of Pi fand ich als Film wesentlich unaufdringlicher und spannender als als
Roman und Ich – einfach unverbesserlich 2 war trotz manch vorhersehbarer
Handlungselemente ein großer Spaß und bleibt dank Minions und
Open-Air-Kinoerlebnis in der Mini-Stierkampfarena des südfranzösischen Les
Saintes Maries de la Mer sicherlich dauerhaft im Gedächtnis.
Gelacht werden durfte auch bei The World’s End und Immer
Ärger mit 40, wobei beiden Filmen ein wenig Tiefgang und menschliche Abgründe
zugutekamen, die diese Komödien nicht zur reinen, auf die Dauer ermüdenden Ablachveranstaltung machten. Gleiches gilt für
den belgischen Film Der Tag wird kommen, in dem der unverwüstliche Spätpunk
Benoit Poelverde seinem scheiternden Spießerbruder (dargestellt vom
unverwüstlichen Albert Dupontel) verdeutlicht, wie man einer
Gewerbegebietshölle aus Supermärkten und Systemgastronomie den Stinkefinger
zeigt. Alles andere als herzerwärmend,
aber erfrischend böse und erfreulich subversiv.
Auch nicht gerade lebensbejahend geht es in The Broken
Circle zu, auch ein belgischer Film, der von einem Musikerpärchen handelt, das
den Verlust seiner Tochter verarbeiten muss. Harter Tobak, aber eine klare
Empfehlung für Leute, die den Schlag in die Magengrube nicht scheuen und Filme
mit emotionaler Wucht schätzen. Ähnliches gilt für Die Jagd, in dem sich ein
Kindergärtner der Anschuldigung des sexuellen Missbrauchs ausgesetzt
sieht. Hier findet sich auch eine der
herausragendsten darstellerischen
Leistungen des Jahres: ohne Mads Mikkelsen hätte ich diesen Film in der
Konstruiertheit seiner Handlung vermutlich nicht so gut gefunden. Ebenfalls
herausragend sind Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hoffman in Paul Thomas
Andersons sperrigem The Master. Als Film über Scientology und Sektengründe L.
Ron Hubbard schwer zugänglich, funktioniert der Film vor allem in der
Darstellung von Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Menschen hervorragend.
Wer mehr etwas für’s Herz sucht, dem empfehle ich Englisch
für Anfänger oder, wie der viel lautmalerischere Originaltiel lautet, "English
Vinglish“. Jawoll, ein Bollywood-Film. Und noch dazu die
Selbstfindungsgeschichte einer mausigen Ehefrau, die ohne Englischkenntnisse
nach New York geschickt wird, um dort bei den Hochzeitsvorbereitungen ihrer…
äh… Nichte?...na ja, kann man ja googeln… zu helfen und dann in einem
Englischkurs neue Freunde und sich selbst findet. Was wie ein Fernsehfilmplot
aus der SAT1-Hölle klingt, ist so unfassbar sympathisch, witzig und
unterhaltsam, dass man sich dem Charme des Films kaum entziehen kann. Ähnliches gilt für Unter dem Regenbogen, den
neuen Film von Agnès Jauoi, die mit "Lust auf Anderes“ einen meiner, na sagen
wir mal, TOP 50-Filme ever gedreht hat. Worum geht’s? Ach, irgendwie um
Selbstfindung, Klarkommen mit Enttäuschung und Verlust, den Versuch in einem gewissen Alter
doch noch mal an einem eingefahrenen Leben etwas zu ändern. Das Übliche eben. Die
große Kunst Jauois und ihres Co-Autors Jean-Pierre Bacri, der in dem Film
einmal mehr sehr amüsant den wortkargen Misanthrop mittleren Alters gibt,
besteht darin, dass diese Themen da sind, aber nie mit großer Geste im
Vordergrund stehen. Stattdessen hat man das Gefühl, Alltag zu beobachtden,
schließt viele der Charaktere, wie bei einer guten Serie, sofort ins Herz und
ist traurig, dass der Film nach knapp zwei Stunden schon vorbei ist. Locker,
fließend, charmant und mit Humor – so lasse ich mir Arthouse-Filme gern
gefallen. Und diese Attribute gelten überraschenderwiese auch für den deutschen
Film Eltern, ein Film, der eine Wohltat ist zwischen all den kalkulierten und
mit Schmierseife angereicherten Schenkelklopfern der Schweigers und
Schweighöfers einerseits und den furztrockenen Betroffenheitsfernsehspielen à
la "krebskranke, alleinerziehende Mutter trifft stasitraumatisierten,
arbeitslosen Frührentner, dessen Sohn unter dem Asperger-Syndrom leidet"
andereseits. Witzig, warmherzig und doch nichts beschönigend, wunderbar
gespielt von Christiane Paul und Charly Hübner als Eltern und mit zwei niemals
nervenden Kinderdarstellerinnen – eine Wohltat eben.
Natürlich gab es auch sonst in diesem Jahr deutsche Filme,
die ich gut fand und die mir im Gedächtnis blieben. Grenzgänger etwa, eine Dreiecksgeschichte
mit einer Frau und zwei Männer vor dem Hintergrund des zerfallenden Ostblocks, ein
unaufdringliches und intensives Kammerspiel über Zwischenmenschliches, und oh... ich lese gerade, es ist ein österrichischer Film. Dann aber Paradies: Hoffnung,
der dritte Teil von Ulrich Seidls Paradies-Trilogie und einer der besten
Kinoabende des Jahres, da der Regisseur im Kino des Filmmuseums Frankfurt
anwesend war und sich im Anschluss den Fragen und der Kritik der Zuschauer
stellte (dazu an anderer Stelle mehr), und, na gut, auch Seidl ist
Österreicher. Aber schließlich Ursula Meiers Winterdieb, in dem ein Junge aus
schwierigen Verhältnissen in einem Schweizer Wintersportort reiche Touristen
beklaut und sich zugleich eine neue Identität fabuliert, für mich der beste
Film des Jahres zum Thema Heranwachsen. Und, man ahnt es schon, ein Schweizer
Film.
Dafür kam aus Deutschland der unsägliche Ludwig II., über den ich mich aber ausschweige, da dessen Regisseur Peter Schamoni inzwischen verstorben ist und man über Tote nichts Schlechtes sagen sollte.
Dafür kam aus Deutschland der unsägliche Ludwig II., über den ich mich aber ausschweige, da dessen Regisseur Peter Schamoni inzwischen verstorben ist und man über Tote nichts Schlechtes sagen sollte.
Bleibt der Blick auf meine fünfte Jahreszeit, auf das
Fantasy Filmfest. Bereits die Nights im März warteten mit drei echten
Höhepunkten auf. Chan-wook Parks Hollywood-Debüt Stoker erschloss sich mir in
seiner vollen Schönheit erst beim zweiten Sehen, denn hier konnte ich mich voll
auf die Optik einlassen und die eher dünne Geschichte vergessen. Freunde der
stilisierten Bilder kommen hier voll auf ihre Kosten. Sehr amüsiert hat mich John Dies at the End, bei dem ich den Vorteil hatte, nicht die Buchvorlage
zu kennen, so dass mir Wahnsinnsgrad und Ideenreichtum dieser Verfilmung
reichten. So richtig ins Herz geschlossen habe ich aber The Bay. Oscar-Preisträger
Barry Levinson ("Rainman"!) hat hier einen schön fiesen Öko-Horror-Film gedreht, in dem sich
Satire, Spannung und eben Horror die Waage halten. Für mich hat auch das
Found-Footage-Konzept gut funktioniert, bei dem echte Experten und Logikfreaks schon
wieder laut aufheulten. Ach, dann spielt doch ´ne Runde Schach oder schaut euch
alte Knoff-Hoff-Shows an, ihr Spielverderber.
Auch das Sommerfestival war recht reich an Höhepunkten.
Neben dem bereits bejubelten "Blancanieves" gab es mit The Body einen weiteren
sehr starken spanischen Film, ein Mystery-Krimi zum Miträstseln, dem es sogar
fast gelingt, die hohen Erwartungen in seiner Auflösung nicht zu enttäuschen
(ja, ich habe wirklich erst sehr kurz vor der Auflösung begriffen, was genau hier
passiert). Ein echter Höhepunkt war auch Mr Oizos neue Regierarbeit Wrong.
Klang "Rubber" schon konzeptionell anstrengend, geht es in Wrong einfach nur um
einen Mann, der seinen Hund sucht. Natürlich in einer nicht so ganz normalen
oder eben "richtigen“ Welt, sondern in einer, in der es auch schon mal im Büro
regnet (außer in dem der Chefin) oder ein Nachbar mit seinem alten Saab ins
Nichts fährt. Die große Kunst dabei ist, dass der Wahnsinn nie überdehnt wird,
sondern sich "right and wrong" immer soweit die Waage halten, dass man sich als
Zuschauer von vorne bis hinten amüsiert und den Film nie von verrückt nach doof
kippen sieht.
Ansonsten gab es auf dem Filmfest wieder feine Genrekost,
die trotz bisweilen opulenter Produktion, wohl eher nicht den Weg in unsere
Kinos finden wird. Vincento Natalis Haunter zum Beispiel, ein in den 1980ern
angesiedelter Haunted-House-Horror-Film mit Twist, sehr schön und sorgfältig
gemacht und erst gegen Ende hin erwartungsgemäß etwas überzogen, oder der nicht
minder elegante Vampirfilm Byzantium von Altmeister Neil Jordan, der so
manchem Connaisseur als redundant auf den Sack ging, mich schlichtes Gemüt aber
fabelhaft unterhielt. Auch der existentialistische Spätwestern Sweetwater
mit einer Glanzleistung des alten Haudegens Ed Harris wusste mir optisch und
inhaltlich zu gefallen (ich sage nur: das Messer im Mahagoni-Tisch).
Von den schmutzigen, kleinen Filmen möchte ich besonders The
Human Race erwähnen, ein typischer Film aus dem FFF-Nachmittagsprogramm mit
fragwürdigen Darstellern, aber einer spannenden Geschichte, in der sich
eine Gruppe Leute plötzlich in einem Wettrennen auf einem abgesteckten Parcours
befindet, das nur einer überleben kann. Wer zu langsam ist oder auf’s Gras tritt, fliegt
sprichwörtlich in die Luft. Wunderbar düster, fies und nihilistisch. Und um mein
Image und das des Festivals aufzupolieren erwähne ich gleich hinterher die
"Lord of the Flies"-Variation I Declare War, ein nur mit Kindern besetzter Film,
in dem es um spielende Kinder geht und der auch Erwachsenen so einiges zum
Thema Wettbewerb und Gruppenzwang erzählt. So pädagogisch wertvoll, dass sich
fast der Einsatz im Unterricht empfiehlt. Auch wenn der Trailer erst mal nicht so aussieht.
Die besten Asiaten waren für mich New World und Drug War von
den Regieschwergewichten Hoon-jung Park ("I Saw the Devil") und Johnnie To. Bei
beiden Filmen gefielen mir überraschenderweise vor allem die geschliffenen
Dialoge. Optik und, vor allem bei Johnnie To, Shootouts gab es praktisch
obendrauf. Und, nein, ich sehe "Drug War" nicht als systemkonformen
Propagandafilm, bloß weil chinesische Polizisten sympathisch dargestellt werden
und die ein oder andere Ermittlungsmethode nicht ganz so sauber ist, wie, sagen
wir mal, in den USA zum Beispiel. Ein Gangsterfilm ganz anderer Art war der dänische
Northwest, der in seiner Darstellung eines vorstädtischen Kleinkriminellenmileus
das Rad sicherlich nicht neu erfindet, aber eine mitreißende und ausweglose
Geschichte erzählt und glaubwürdig darstellt, wie schnell man aus prekären
Verhältnissen auf die schiefe Bahn geraten kann.
Und schließlich bietet das Filmfest ja immer wieder diese Arthouse-Genrefilm-Hybride,
die ich so liebe. Von diesen möchte ich an dieser Stelle den mutigen Dark Touch
erwähnen, der wie ein Gruselfilm mit bösem Kind daherkommt, in Wahrheit aber
ein Film über sexuellen Missbrauch ist. Harte Kost, sicherlich nicht völlig
überzeugend, aber mit außergewöhnlichen Bildern und Symbolen und aus der Masse
der Filme insofern herausragend, als dass ich mich an ihn auch jetzt noch sehr
lebhaft an ihn erinnern kann.
Warum fehlen eigentlich Filme wie Gravity oder Rush in
diesem Rückblick? Na ja, ich habe sie nicht gesehen, da ein "Lebensereignis“
(Facebook-Jargon) dazwischen kam
Gesehen habe ich aber The Great Gatsby, der leider zeigt,
dass Baz Luhrman ein Meister der Optik ist, den Roman aber allenfalls sehr
oberflächlich verstanden hat. Tolle Partyszenen, da möchte man doch mitmachen
und vom Tellerwäscher zum Millionär werden. Long live the American Dream. War es das nicht, was F. Scott Fitzgerald sagen wollte?
Noch so ein an sich bewährter Regisseur, der in diesem Jahr gewaltig daneben langte, ist Ridley Scout. The Counsellor wird mit wachsender Distanz eigentlich immer ärgerlicher. Ein langatmiger Gangsterfilm-Neo-Noir-Quatsch, mit dem ausgerechnet der bislang untadelige Cormac McCarthy zeigt, dass ihm offenbar nichts mehr einfällt. Oder dass er selbst keine Drehbücher, sondern nur deren Vorlagen schreiben sollte. Inhaltsleere Dialoge mit aufgezwungenem Kultfaktor, aufgesagt von einer albern tätowierten Cameron Diaz und einem albern frisierten Jarvier Bardem. Michael Fassbender agiert stoisch bis zur Unkenntlichkeit und Brad Pitt spielt seine Rolle aus "Killing Them Softly“ auf Autopilot noch ein wenig weiter. Wenn dann mal Handlung stattfindet, ist sie beliebig und voller Logiklöcher. Beispiel: wie bringe ich einen motorradfahrenden Drogenkurier am besten um die Ecke? Na klar, ich spanne in Kopfhöhe einen Draht über den Highway, den der Mann mit 200 Sachen langgedüst kommt. Dafür kann ich mir auch schön Zeit lassen, denn dieser Highway wird nur von diesem einem Motorrad und nur einmal am Tag befahren. Aua, aua, aua. Nein, was hier originell und stylish sein soll, ist einfach nur doof; eine Riesenverschwendung von Talenten.
Noch so ein an sich bewährter Regisseur, der in diesem Jahr gewaltig daneben langte, ist Ridley Scout. The Counsellor wird mit wachsender Distanz eigentlich immer ärgerlicher. Ein langatmiger Gangsterfilm-Neo-Noir-Quatsch, mit dem ausgerechnet der bislang untadelige Cormac McCarthy zeigt, dass ihm offenbar nichts mehr einfällt. Oder dass er selbst keine Drehbücher, sondern nur deren Vorlagen schreiben sollte. Inhaltsleere Dialoge mit aufgezwungenem Kultfaktor, aufgesagt von einer albern tätowierten Cameron Diaz und einem albern frisierten Jarvier Bardem. Michael Fassbender agiert stoisch bis zur Unkenntlichkeit und Brad Pitt spielt seine Rolle aus "Killing Them Softly“ auf Autopilot noch ein wenig weiter. Wenn dann mal Handlung stattfindet, ist sie beliebig und voller Logiklöcher. Beispiel: wie bringe ich einen motorradfahrenden Drogenkurier am besten um die Ecke? Na klar, ich spanne in Kopfhöhe einen Draht über den Highway, den der Mann mit 200 Sachen langgedüst kommt. Dafür kann ich mir auch schön Zeit lassen, denn dieser Highway wird nur von diesem einem Motorrad und nur einmal am Tag befahren. Aua, aua, aua. Nein, was hier originell und stylish sein soll, ist einfach nur doof; eine Riesenverschwendung von Talenten.
Schlimmer waren eigentlich nur noch die Filme, in denen
renommierte Darsteller zeigten, wie sehr sie ihren Zenit überschritten haben.
Hier die TOP4 der diesjährigen Fremdschämdarstellungen.
Platz vier: Isabelle Huppert in Die Nonne. Taucht in dem
Film nach gefühlten anderthalb Stunden gepflegter Bildungsbürgerlangweile auf
und spielt eine lüsterne Mutter Oberin, die es auf die arme, unschuldige
Protagonisten abgesehen hat. Wer denkt, dass das ja gar nicht soo schlecht
klingt, den erinnere ich daran, dass die 1970er-Jahre vorbei sind und Jess
Franco tot ist.
Platz drei: Gérard Dépardieu in Miserère / Choral des Todes.
Ein holpriger Thriller mit abstruser Story (Chorknaben als Mordwaffe – ach,
ach, ach), den Dépardieu mit seiner sonambulen Präsenz nicht bereichert. Gut
für seinen Gegenpart, so ein Rapperbürschchen, der das Schauspielern nicht
gerade erfunden hat. Und wenn Dépardieu in einer Szene die Obelix-Plauze vom Nachtlager
wuchtet, dann sieht man nicht mehr den charismatischen Lebemann, sondern nur
noch einen alten, fetten Typ, der bald nicht mehr kann. Traurig.
Platz zwei:
Harvey Keitel in The Congress. Ein eitler Film eines eitlen Regisseurs,
der wohl meinte, er könne das wiederholen, was Wayne Wang und Paul Auster in
"Smoke" schafften: Keitel einfach mal erzählen lassen und eine Kamera draufhalten.
Nur während man in "Smoke" gebannt zuhört und Keitels minimale Mimik einen völlig
in den Bann schlägt, sieht man hier nur einen sichtlich gealterten Mann, der irgendwas
von der Veränderung der Medienwelt erzählt und bei dem man sich ähnlich wie beim
Opa auf der Familienfeier konzentrieren muss, zu verstehen, was er denn eigentlich sagen will.
Platz eins:
John Malkovich in Siberian Education. Malkovich, Malkovich. "Being John Malkovich".
Ach, das waren noch Zeiten, als der Mann so eine Ikone war, dass er sich in
Spike Jonzes Film selbst spielen durfte und dies genüßlich selbstironsich
zelebrierte. In diesem schwerfälligen Racheepos gibt er den weisen
Klanintellektuellen einer Gruppe sibirischer Outlaws. Und labert und labert und
labert immer wieder den gleichen Käse von Ehre, Anstand, Gut und Böse, Richtig
und Falsch, Ernie und Bert. Völlig ironiefrei und mit einem pseudorussischen Akzent, der in so
mancher Stereotypen-Komödie nicht durchgegangen wäre. Hat man mit Dépardieu und
Keitel noch Mitleid, ist das einfach nur ärgerlich und daher Platz eins dieser Negativcharts.
Soll es so enden, das Kinojahr 2013?
Auf keinen Fall. Ich ende vielmehr mit einer DVD-Empfehlung, die zeigt, dass
schon abgeschriebene Schauspieler manchmal den Phoenix aus der Asche geben
können. Martin Sheen beeindruckt in Dein Weg als trauernder Vater auf dem Jakobsweg
in einem Film, der über zwei Stunden trotz seiner Thematik (Verlust, Tod,
Trauer, Selbstfindung) konsequent der Kitsch- und Schmalzfalle entgeht und stattdessen
einfach nur ein herzerwärmendes und an den richtigen Stellen augenzwinkerndes Plädoyer
für Authentizität und Mitmenschlichkeit ist. Schön und versöhnlich, und so kann
auch dieses Jahr enden.
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