Montag, 23. Dezember 2013

Live Lieblinge 2013 - Track by Track


01 Jens Friebe: Du freust dich ja gar nicht (Frankfurt, Das Bett)
Auf seinem wohl am schlechtesten besuchten Konzert seit langem, noch dazu nach einer unerträglich aufgeblasenen Nichtskönner-Vorband namens Rios Reisser (sic), wusste der Dorian Gray des deutschsprachigen Indiepops zumindest mich ein weiteres Mal zu überzeugen. Grandiose Texte, wie auch hier in “Du freust dich ja gar nicht“.


Auch schön: "Das mit dem Auto ist egal..." als kammermusikalische Version.

02 Delphic: Baiya (Frankfurt, Nachtleben)
Das zweite Album fand ich weniger beeindruckend, das Konzert im Frankfurter Nachtleben umso mehr. Ich zitiere aus meinem einzigen Blogeintrag des Jahres 2013: „Und dann geht’s los. Zunächst bekommt man gleich mal „Baiya“ um die Ohren gehauen, das ohne Unterbrechung in den Überhit „Halcyon“ übergeht. Volltreffer. Das Konzept von 2010, die Songs gleichsam zu einem DJ-Set verschmelzen zu lassen wurde offenbar nicht aufgegeben. Ein erstes Aufatmen. Auch die Indiegitarre kommt in „Halcyon“ zum Einsatz, und die Musik ist voll, flächig und wunderbar laut. Nein, ein leibhaftiger Drummer ist durch nichts zu ersetzen.“

03 David Lemaitre: Megalomania (Maifeld Derby & Phonopop Festival)
Das schönste Konzert auf dem in diesem Jahr für meinen Geschmack recht durchwachsenen Phonopop-Festival. Hier stimmte alles: Wetter, Stimmung, Begleitung, ein gutgelaunter und spielfreudiger David Lemaitre. Sommer 2013 at its best

04 Junip: So Clear (Heidelberg, Karlstorbahnhof)
Hadere ich auch mit dem aktuellen Album, das Junip-Konzert im Heidelberger Karlstorbahnhof war ein echter Höhepunkt. Optimal positioniert, mittig im Graben, entfaltete die Laut-Leise-Dynamik aus folkiger Grundlage und oft üppiger elektronischer Ausschmückung ihre Wirkung auf das schönste. Am ehesten nachvollziehbar in diesem Song.

Bestes Bühnendesign 2013 (Clubgröße): Junip

05 Balthazar: The Boatman (Frankfurt, Nachtleben)
Erwähnte ich schon, dass ich Balthazar als Vorband von dEUS…? Ja?! Dann füge ich hinzu: sie sind seitdem noch besser geworden. Fünf Musiker, die wissen, was sie tun, komplexes Songwriting und eine ausgefeilte Setlist. Da teile ich das Fazit des anwesenden Herrn vom „Konzerttagebuch“: „Kurzum: ich habe selten so viele Menschen auf einem Konzert ehrlich begeistert tanzen sehen! Die Band hat eine großartige Show abgeliefert und wer sich das entgehen lässt ist, leider selbst schuld.“ Oh, und unvergessen auch das Will-Smith-Sweatshirt des Bassisten, unter dem im letzten Drittel des Konzertes das passende Will-Smith-T-Shirt zum Vorschein kam.

06 Benjamin Biolay: Padam (Mainz, Frankfurter Hof)
Das Beste, was mir passieren konnte. Der Meister kommt nach Deutschland und lässt – vermutlich aus Kostengründen – das Brimborium zuhause. Nachdem die letzten Alben Benjamin Biolays unter einem Hang zur Überproduktion litten (Mehr Hall! Mehr Engelsgesang! Mehr sinnlose Blasinstrumente!) und dies auch den Genuss des letzten Strasbourger Konzerts, das ich besuchte, trübte, entpuppte sich die Not hier als Tugend: mit nur zwei Musikern und reduzierteren Arrangements kamen hier wieder die wunderbaren Melodien zum Vorschein, die auf den Alben oft ohne Not mit Sperenzchen und Effekten zugekleistert sind. Auch standen so die Posen des Meisters wieder mehr im Vordergrund, und sein schluffiges Recken der rechten Faust bzw. das kongeniale Klopfen auf die Brust, um sein Herzklopfen für das Publikum anzudeuten, haben sich zum festen Begrüßungsritual zwischen Kollege Mulzer und mir entwickelt. Den Pathos des abschließenden “A l’origine“ mag man als überzogen empfunden haben, ich fand ihn super. Und bei “Padam“ hatte ich eines der besten Mitsingerlebnisse des Jahres 2013. Vraiement magnifique.

07 The Stepkids: Suburban Dreams (live) (Frankfurt, Das Bett)
Soul, Jazz, 80er Softpop. Horrorreferenzen, und ich weiß auch nicht, ob ich mir die Hipstermusik der Stepkids zuhause auf die Dauer anhören könnte. Aber die Show dieser drei Herren im mäßig besuchten Frankfurter Bett kann man einfach nur als mitreißend bezeichnen. Choreographiertes, ironisches Agieren von Gitarre und Bass nutzten sich über 90 Minuten lang nicht ab; jede Bewegung schien zu sitzen, Licht und Sound waren perfekt, die Stimmung in zunehmendem Maße euphorisiert. Definitiv eine der besten Shows des Jahres, die alle Anwesenden glücklich gemacht hat. Außer Bett-Betreiber Frank, der den Laden gern voller gehabt hätte.

Schwerkraft überwunden: The Stepkids

08: The Brandt Brauer Frick Ensemble: Teufelsleiter (Heidelberg, halle 02 & Darmstadt, Staatstheater)
Ich liebe dieses Konzept. Elektronische Musik und ein etwas erweitertes Kammerorchester. Dass das Ganze funktioniert und anders als die einschlägigen „Klassik-meets-Rock“-Versuche nicht zur peinlichen Wichtigtuernummer degeneriert, liegt an den Kompositionen der Herren Brandt, Brauer, Frick, die einfach Partituren schreiben können, in die sich klassische Instrumente natürlichund mühelos  einfügen. Die Posaune übernimmt teilweise Bassfunktion, der Flügel liefert repetitive Elemente, die Streichinstrumente Melodiefragmente. Nur von der Harfe habe ich wenig gehört, aber die sieht halt auf der Bühne immer schmuck aus. Getrübt wurde die Freude einmal durch schwätzendes Heidelberger Hipsterpublikum, das bis in die erste Reihe die eigene Anwesenheit geiler fand als die Band, und einmal an der Kürze des Sets (in Darmstadt gerade mal 50 Minuten plus eine Zugabe). Dennoch sehr außergewöhnlich.

Alle Noten gespielt: Brandt Brauer Frick.

09: The Beauty of Gemina: Dark Rain (Frankfurt, Das Bett)
Eine Schweizer Gothic-Band, von der mein Szenebeauftragter Herr Sommer „noch nie gehört“ hatte, spielt eine Akustik-Show. Klingt grausam? War es gar nicht. Was in erster Linie an der angenehm sonoren Stimme des Sängers lag sowie an der kristallklaren Akustikgitarre, die mich teilweise im besten Sinne an eine Flamencogitarre erinnerte. Karneval der Kulturen in Schwarz, ein spezieller und überraschender Höhepunkt.

10 Low: Just Make It Stop (Frankfurt, Zoom)
Nachdenklich, fast schon besinnlich, aber nie kitschig, so kann man das Konzert der US-Amerikaner Low wohl beschreiben. Bandname stehen für Tempo und Stimmung, und wenn man in der Stimmung für diese Art von Musik ist, sind Low bei den ganz Großen. Einer von zwei richtig guten Abenden in Frankfurts zweifelhaftem Liveclub Nummer eins.

11 The Notwist: Planet Off (Maifeld Derby)
Alle Jahre wieder, aber dieses Mal nicht ”Boneless“. Und, ja, es gibt immer noch keine neue Platte, aber, nein, es wird mir einfach nicht langweilig mit ihnen. Meine Lieblingsliveband. 10/10, einmal mehr.

The Notwist im Maifeld-Derby-Zelt

12 Tunng: Once (Frankfurt, Zoom)
Der zweite gute Abend im Frankfurter Zoom. Dass Tunng schöne Musik machen werden, wusste von Anfang an. Nichts, was ich jemals von dieser Band gehört habe, fand und finde ich schlecht. Dass das live so gut funktioniert, war mir allerdings nicht von vornherein klar. Doch einmal mehr zeigte sich hier, dass alte Hasen auf der Bühne einfach die besseren Shows machen, da sie kein technisches Problem aus der Bahn werfen kann und sie repertoiremäßig aus dem Vollen schöpfen können. “Once“ blieb mir besonders im Gedächtnis, wobei das Konzert aber wie aus einem Guss wirkte und ohne Hängepartien blieb.

Auch schön: Hustle

13 Navel: The Sun For Me (Frankfurt, Elfer Musikclub)
Am Tag zuvor noch bei der Fernsehaufzeichnung des Rockpalasts, dann vor ca. 10 Zuschauern im Frankfurter Elfer Club. Hätten wir beim Gespräch mit der Band am Tresen vor der Show erwähnen sollen, dass weil ich den Namen der Band schon mal irgendwo aufgeschnappt hatte und wir Freikarten hatten? Natürlich nicht. Das wäre unhöflich gewesen und hätte uns am Ende vermutlich auch kein Freibier von der Band eingebracht. Ich fand’s zudem auch ziemlich super: mal wieder ein Rockkonzert, und ein richtig lautes dazu. Und entsprechend laut ist auch der Song auf der CD, denn spätestens seit Twisted Sister gilt bei dieser Art von Musik: “Play it loud, mutha“.

14 Pinkunoizu: Moped (Frankfurt, Zoom)
A propos laut. Die Vorband der ja doch recht zugänglich daherkommenden Tunng namens Pinkunoizu war auch ganz schön laut. Ein ähnliches Krautrock-Lärmgewitter wussten im Jahr 2013 nur noch Toy auf dem Maifeld Derby loszulassen. Fantastisch die schmerzverzerrten Gesichter so manch eines Konzertbesuchers, beeindruckend die Konsequenz, mit der dieses Konzert durchgezogen wurde. Die shoutende Dame (Singen kann man das nicht nennen) auf “Moped“ ist übrigens die Schlagzeugerin, die ich den jungen Mädchen von heute als role model dringend nahelege.

15 Bloodgroup: Chuck (Frankfurt, das Bett)
Auch wenn auf dem 2013er-Album eine gewisse Besinnlichkeit Einzug gehalten hatte, waren sich Bloodgroup nicht zu schade, live auch die alten Elektroknaller auszupacken. Paaahaaadieeee! Zu „Chuck“ habe ich wohl in diesem Jahr am exaltiertesten getanzt. Gut, dass das Konzert so schwach besucht war…

Volles Engagement im Bett: Bloodgroup

16 The bianca Story: Does Mani Matter? (Wiesbaden, Schlachthof)
Furchtlos möchte ich den Stilmix von The bianca Story nennen. Hier macht eine Band wirklich ihr eigenes Ding und die Musik, die sie gut findet. Da kann man auch schon mal den guten, alten Dieter Meier von Yello vor ein Mirko holen und … nun ja… rappen lassen.  Man möchte es eigentlich besser wissen, kann sich dem Charme der Songs aber nicht entziehen. Dem der Band sowieso nicht, denn die ist live so engagiert und partyfreudig, dass es ihr gelingt, das Wiesbadener Zuhörpublikum zum Mitmachen zu bringen. Die Tatsache, dass die Band ihr Album im Vorfeld per Crowdfunding finanziert hat und es somit nach dem Konzert jedem Zuschauer umsonst überreichen konnte, ist da nur ein sympathisches Tüpfelchen auf dem i in bianca (und, ja, das muss klein geschrieben werden. Des g’hört so!).

Im Vordergrund: die beiden Vokalisten. Rechts außen: ein König, seitenverkehrt

17 Jacques Palminger & the Kings of Dubrock: Ich mag Chopin (Mainz, Schon schön)
Ich mag Jacques. Kein Geheimnis. Und im Jahr 2013 spielte Jacques dann auch endlich mal das perfekte Konzert, und zwar im kleinen Mainzer Club Schon schön, vor einem sehr engagierten Partypublikum. Ironischer Weise von einem Literaturverein organsiert, entpuppte sich die Show dank der Beats von „Zauberer“ (Palminger) Viktor Marek und gesanglichem Können und tänzerischem Engagement von Rica Blunck als eines der besten Konzerte des Jahres und mein bisher schönstes Konzerterlebnis mit Jacques.


Auch schön: Jacques ruft den Sommer aus und erinnert daran, dass Arbeitszeit Leistungszeit ist.


Auch schön: Beach Buggy (mit Rica Bluncks Zigarrenkisten-Ukulele)

18 When Saints Go Machine: Slave To The Take In Your Heaven (Maifeld Derby & Phonopop)
Und ich weiß immer noch nicht, warum das live so gut für mich funktioniert. Oft sperrig und nicht tanzbar, aber konsequent elektronisch, wiederholte Breaks in der Stimmung und Passagen echter Zuhörmusik: When Saints Go Machine waren für mich eine der besten Livebands des Jahres 2013. Ihr Konzert im fast völlig abgedunkelten Zirkuszelt auf dem Maifeld Derby hatte eine angenehm hypnotische Wirkung und war sicherlich eines der TOP-5-Konzerterlebnisse des Jahres. Musik für Fortgeschrittene, mit der die bodenständigen The-Thermals-Fans (= Wichser) auf dem Phonopop so ihre Schwierigkeiten hatten, so dass sich dieses Erlebnis unter freien Himmel leider nicht wiederholen ließ.  

Im Sog im Zelt: When Saints Go Machine


Weitere schöne Konzerte, die auf dem Sampler keine Berücksichtigung fanden, in chronologischer Reihenfolge:
Olivia Ruiz (Strasbourg, Salle de Fete Schiltigheim)
Lukas Graham (Mannheim, Alter Feuerwache)               
PeterLicht (Heidelberg, Karlstorbahnhof)
Sin Fang (Frankfurt, Das Bett (mit Band), und Zoom (Solo))        
Get Well Soon (Darmstadt, Staatstheater)
Rue Royale (Frankfurt, Ponyhof)
Intergalactic Lovers (Frankfurt, Das Bett, und Maifeld Derby)
Amatorski (Frankfurt, St. Peter Café)
Indochine (Strasbourg, Zénith)

Auf dem Maifeld Derby:  Cocorosie, Arthur Beatrice, Royal Canoe, Dagobert, Toy, We Were Promised Jetpacks

Bandauswahl exquisit, Stimmung rop, Wetter optimierungsbedürftig: Maifeld Derby 2013


Auf dem Phonopop: Local Natives, French Films

Weiterhin die beste Location, etwas mäßiges Line-Up: Phonopop 2013

Die Videocredits gehen allesamt an den Herren, der diesen You-Tube-Channel betreibt:
http://www.youtube.com/user/Weltmeisterinnen2011

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