Was gibt es schöneres als einen gepflegten Verriss? Einen
schönen Film natürlich. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten, und nachdem ich
gestern ausführlich gelobt habe, muss ich heute mal ein wenig meckern. Hier
sind sie also, die auf hohem Niveau Gescheiterten, die überschätzten Hypes und
die absoluten Gurken.
Beginnen wir mit dem Ärgernis des Jahres: Beasts of the Southern Wild. Diesen gab
es bereits, geschäftig angepriesen, auf dem Fantasy Filmfest. Mich schreckte
schon der Trailer ab: Kinder, die Lebensweisheiten von sich geben; edle, arme
Menschen, die sich gegen das System stemmen; allegorische Fabeltiere, die
irgendwas bedeuten sollen. Das sah nach abgeschmacktem Arthouse-Käse für
schlichte Gemüter aus und war es dann auch. Das süße Jüngelchen sprach während
des ganzen Filmes gefühlt keinen normalen Satz, sondern reihte einen
Kalenderspruch an den anderen, die edlen, armen Menschen waren mir durch die
Bank unsympathisch und wofür die Auerochsen stehen sollten, habe ich nicht
begriffen, was aber meinem stetig steigenden Desinteresse an diesem Film
geschuldet sein kann. Schwamm drüber, könnte man sagen, solche
Wichtigtuerfilmchen gibt es ja immer wieder. Erschreckend ist jedoch die große
Anzahl geschmackssicherer und filmerfahrener Menschen, die dieser
Schmuddelversion des Kleinen Prinzen auf den Leim gehen. Dieser Tage trifft der
Film mit großem Brimborium und Kritikerlob im deutschen Kino ein. Ich kann nur
warnen, wünsche allen Unbelehrbaren aber viel Spaß und freue mich über jeden
Verteidiger dieser Schmonzette, der mich eines Besseren belehrt.
Ähnlich geärgert hat mich das Starvehikel Die eiserne Lady, zu dem ich Folgendes
schrieb:
„Das passiert, wenn man Politik und Privates mischt. Meryl Streep gewinnt den Oscar (zurecht) und Maggie Thatcher wird in den Köpfen der Leute zu einer bedauernswerten alten Dame, die den Tod ihres Gatten nicht verwinden kann. Als Hollywood-Melodram über Verlust, Trauer und Altern sicherlich akzeptabel, nur leider ist da noch Thatchers politische Karriere, die der Film trotz seines ausgeprägten Interesses am Privaten ebenfalls nachzeichnen will. Das tut er allenfalls schlaglichtartig, und wenn die Krawalle, die die Politik der "Iron Lady" in den 80er-Jahren ausgelöst haben, als flotte Videoclips mit fetziger Punkmusik unterlegt gezeigt werden, dann zeigt sich, dass der Film eine intellektuelle Luftnummer ist. Powered by emotion - und ohne größeren Erkenntnisgewinn.“
Auch im deutschen Kino gab es im Jahr 2012 Luftnummern.
Allen voran Die Unsichtbare, ein
eitles Schauspielerdrama, das die Eitelkeit des eigenen Gewerbes kritisiert.
Klischeehafte Figuren und nerviges Overacting, allen voran der penetrante
Ulrich Noehten als egomaner Regisseur, geben dem Film den Rest. Wie Black Swan
ohne Tanzen, Spannung und Natalie Portman. Wer will so was sehen?
So weit zum Arthouse. Doch halt. Da war ja noch We Need To Talk About Kevin, der Film
über den bösen Kevin, der am Ende seine Mitschüler – und nicht nur diese –
tötet. Ein Film, der mich ratlos zurückließ und, anders als vom sympathischen
Kinochef des Hafen 2 angekündigt, so gar nicht berührte. Wenn die Macher des
Films mahnen und warnen wollten, dann sind sie gescheitert. Kevin ist zu
dämonisch, zu offensichtlich fies und schlecht, er ist nicht der unscheinbare
Typ, der durchdreht, sondern das böse Kind, das es in der Filmgeschichte nicht
zum ersten Mal gibt. Wenn die Macher des Films das Psychogramm einer von
Schuldgefühlen geplagten Mutter zeichnen wollten, waren sie schon
erfolgreicher, denn Tilda Swinton ist fesselnd und überzeugend in
dieser Rolle. Doch dem Charakterdrama steht erneut der überzeichnete Bösewicht
im Weg, der einen ähnlich unterhält wie Iago in Shakespeares Othello oder Earl
Pastko als selbsternannter Satan in Bruce McDonalds Highway 61. Es ist daher an
sich nur folgerichtig, dass der Film in Deutschland zunächst auf dem Fantasy
Filmfest lief. Hier passt er gut hin, denn er ist unterhaltsam und spannend –
nur dass das bei der gewählten Thematik ein zweifelhaftes Kompliment ist.
Ein lupenreiner Genrefilm ist hingegen Headhunters, auf den ich mich nach Trailer und Ankündigung zunächst
gefreut hatte:
„Der neue Stieg Larsson ist da. Ja, iss klar. Genau wie John Alvijde Lindqvist Schwedenkrimis schreibt. Aber man muss das Zeug ja irgendwie vermarkten.
Headhunters hat jedenfalls nichts von den düsteren, komplexen, letztlich aber doch geschlossenen Plots Stieg Larssons. Der Film beginnt wie eine Mischung aus American Psycho und elegantem Kunsträuber-Krimi, entwickelt sich aber bald zu einer völlig überzogenen Hetzjagd, in der ein böser Gangster einen an sich gar nicht so üblen Gangster jagt. Könnte gut sein, hätte man das nicht alljährlich in einem französischen Beitrag zum Fantasy Filmfest schon mal besser gesehen. Und wäre da nicht der seltsame Humor, der die Hauptfigur komplett in Scheiße tauchen lässt oder zwei dicke Zwillinge als Streifenpolizisten zeigt. Oder die Splattereffekte, die schon mal ein vom Aufprall auf einen Felsbrocken zerschmettertes Gesicht in Nahaufnahme zeigen. Würg. Man wird den Eindruck nicht los, als hätte man es bei diesem Film einfach mit einem Produkt zu tun, bei dem versucht wurde, es allen möglichen Zielgruppen rechtzumachen und das dabei noch wild und hip sein will. Ich kann nur abwinken.“
Aber es geht ja noch schlimmer. Der absolute Tiefpunkt des
Jahres kam aus Deutschland und hieß Das
Kind:
"Wo soll ich anfangen? Vielleicht mit dem Fazit: „Das Kind“ ist mit Abstand der schlechteste Film, den ich in diesem Jahr im Kino gesehen habe. Nein, ich habe nichts gegen B-Movies, im Gegenteil. Ja, ich kann auch noch der 100. Psychothriller-Variante etwas abgewinnen, wenn Atmosphäre, Schauspieler und Handlungsfluss stimmen. In „Das Kind“ stimmt aber leider gar nichts.
Man sollte natürlich schon misstrauisch werden, wenn Deutsche mal wieder auf Hollywood machen und einem abgehalfterten US-Schauspieler aus der dritten Reihe wie Eric Roberts eine Hauptrolle geben. Aber hatte ich nicht den Roman „Das Kind“ von Sebastian Fitzek in diversen Buchhandlungen und auf verschiedenen Bestsellerlisten gesehen? Können sich all diese Leser irren? Ja, können sie. Die Geschichte, die Fitzek erzählt, ist ein modisches Sammelsurium aus altbekannten Versatzstücken und abgedroschenen Psychothriller-Klischees, ein reines Recycling-Unternehmen ohne jegliche gedankliche Eigenleistung. Der Film ist die kongeniale Umsetzung. Da wird ein Schauplatzrecycling von „Sieben“ bis „Saw“ betrieben, nur eben alles eine Spur billiger. Atmosphäre gleich null, Spannung stellt sich an keiner Stelle ein. Dazu kommt ein Drehbuch, das eine Beleidigung für jeden Zuschauer ist. Klaffende Logiklöcher, dass einem die Spucke wegbleibt; Anschlussfehler noch und noch; ungelenkes Erzählen wie in einem schlechten Derrick; überflüssige Rückblenden für die ganz Doofen; und schließlich Dialoge, die einem körperliche Schmerzen bereiten, so klischeehaft und, ja man kann es nicht anders sagen, dumm sind sie. Klingt nach exzellentem Trash? Leider nein. Hier gibt es kein ironisches Augenzwinkern, das ist ernst gemeint. Selbst die Besetzung von Dieter Hallervorden als Kinderschänder. Dass Dieter unsx dennoch einmal mehr den Didi macht, war zu befürchten, aber er ist nur das Sahnehäubchen in einer Riege hölzerner und blasser Knallchargen, die den Film endgültig an die Wand fahren. Eric Roberts ist in seiner Rolle schlichtweg überfordert und unglaubwürdig, die Dame an seiner Seite habe ich schon wieder vergessen. Ben Becker spielt auf Autopilot, Dieter Landuris ebenfalls. Daniela Ziegler hingegen gibt alles, nur dass das nicht besonders viel ist und man ahnt, warum sie ansonsten eher in Inga-Lindström-Filmen am Sonntagabend im ZDF auftaucht.
Nein, es tut mir leid, es gibt an diesem Film nichts Positives. Nichts. Außer vielleicht, dass er einem über knapp zwei Stunden vor Augen führt, was der Unterschied zwischen einem Trashfilm und Müll ist."
Weder Trash noch Müll sind die Filme, auf die ich abschließend einen kleinen Blick werfen will. Es sind die Filme, von denen ich mir viel erwartet hatte, und die mich dann letztlich enttäuscht haben.
Paranorman etwa,
der als liebevolle und ideenreiche Hommage an den klassischen Horrorfilm
beginnt, sich dann aber recht bald in der üblichen kindertauglichen Animationsfilmgeschichte
von wahrer Freundschaft, Toleranz und Blablah verliert und dem genreaffinen
Zuschauer kaum noch etwas zu bieten hat.
Oder Skyfall, der
neue James Bond, der es auch in die Bestenliste hätte schaffen können, wenn er
einfach auf seinen Showdown in Schottland verzichtet hätte, der nicht nur
inszenatorisch lahm und wenig spannend ist, sondern auch all die zuvor gestellten
Fragen nach dem Altern des Agenten und dem Sinn von Geheimdiensten in einer
unübersichtlichen, globalisierten Welt über den Haufen wirft.
Was mir die wunderbaren Bilder des Naturfilms Das grüne Wunder verdorben hat, schilderte
ich ja bereits hier, und so bleibt mir zuletzt ein Kommentar zu Take Shelter, dem Film, an dem ich gescheitert bin:
„Ich weiß nicht so recht, was ich von Jeff Nichols' hochgelobtem Paranoia-Film halten soll. Wunderbar funktioniert der Film als Psychogramm eines Mannes mit apokalyptischen Visionen. Michael Shannon ist in dieser Rolle beeindruckend und stets glaubhaft. Schwerer einzuordnen sind für mich die symbolischen und biblischen Verweise, durch die der Film in verschiedenen Kritiken als Kommentar zum Isolationismus der USA oder zu einer bevorstehenden Klimakatastrophe gedeutet wurde. Wer damit anfängt, wird gerade im letzten Drittel in Interpretationsnöte kommt. Wer nicht philosophisch deutelt, dem könnten die zwei Stunden Laufzeit irgendwann etwas lang werden. Denn zwar spielt der Film mit den Genreerwartungen des Psychothrillers und des Katastrophenfilms, doch nur um sie fast immer zu unterlaufen. Klare Warnung also für alle "Twister"- und "Psycho"-Freunde, vorsichtige Empfehlung für fortgeschrittene Kinogänger, die Lust auf Außergewöhnliches haben.“
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