Der Hafen 2 lud zum Acid Weekend
LSD-Trip, die erste.
Mit diesem Ansturm hat der
sympathische Kinochef des Hafen 2 nicht gerechnet. Ausgerechnet zum Dokumentarfilm
„The Substance – Albert Hofmanns LSD“
ist der Saal praktisch ausverkauft. „Ist doch klar, bei dem Thema!“ wird
gewitzelt, und das ist vermutlich auch ein Teil der Wahrheit. Doch Martin Witz‘
Dokumentation ist einfach auch ein guter Film. Da ist zunächst ein
charismatischer Zeitzeuge, der Entdecker des LSD Albert Hofmann, den Witz kurz
vor seinem 100. Geburtstag interviewte und dessen pointiertes und lebhaftes
Erzählen das Rückgrat des Films darstellt. Das zweite Pfund, mit dem der Film
wuchern kann, sind medizinische Lehrfilme aus den 1950er- und 1960er-Jahren,
deren unfreiwillige Komik enorm zum Unterhaltungswert des Films beitragen, die
aber zugleich erhellende Quellen zum Umgang mit der damals neuen Substanz
darstellen. Das größte Plus des Films ist jedoch sicherlich, dass er insgesamt
über ein durchdachtes und nachvollziehbares Konzept verfügt und alle Facetten
des Thema LSD darstellt, Regisseur Witz zugleich aber auch formale Ambitionen
hat und dem Zuschauer so manchen psychedelischen Bilderrausch präsentiert.
Heraus kommt das Paradebeispiel eines gelungenen Dokumentarfilms, der fundiert,
faktenreich und zugleich unterhaltsam und optisch so ansprechend ist, dass sich
sogar der Gang ins Kino lohnt.
Ob das nach dem Film nun gut
informierte Publikum gleich zum Selbstversuch überging oder sich erst mal noch
über die eigenen Drogenerfahrungen austauschen musste, ist mir nicht klar.
Jedenfalls verirrte sich praktisch niemand zur doch thematisch als so passend
angekündigten „wilden, lauten Drogenmusik“. Das Verhältnis von Musikern und
Publikum bei Audiocaeneat und Nightmare Air hielt sich immer in etwa die Waage,
mehr als 20 Personen waren eigentlich nie im Raum, und da sind Bardame und
Tonmänner schon mit eingerechnet. Nicht so schlimm für die Shoegazer von Audiocaeneat, die auf der Bühne recht
autark ihre ausufernden Gitarrenstücke spielten. Etwas zu verkopft und
kalkuliert um wirklich psychedelisch zu sein, aber für Fans von Postrock, Postpunk
und Postbank durchaus hörbar. Ich fand den Gesang etwas fragwürdig. Olympisches
Singen à la DSDS ist zwar auch mir ein Graus, aber Töne zu treffen ist dennoch
keine Schande. Oder man macht es eben wie Dave von Nightmare Air. Dieser überlässt das zarte Singen seiner Bassistin
Swan und schreit als offenbar kongenial gedachte Ergänzung seine Gesangsparts
hysterisch ins Mikrophon. An sich geht das völlig in Ordnung, wenn da nur nicht
die Lautstärke wäre. „Dave loves the red“ werden die wenigen Anwesenden von
Bassistin Swan bereits frühzeitig informiert, und das Rot bezieht sich auf den
Messbereich des von der Bühne aus sichtbaren Lautstärkemessers. Deshalb stehen jetzt
wohl plötzlich auch zeitweise drei Leute an den Tonreglern, denn einer allein
kann ja gar nicht überblicken, ob alle Lautstärkeregler auf Maximum stehen. Tun
sie auch nicht, denn ausgerechnet das Mikrophon der elfenhaften Bassistin steht
auf Normallautstärke, so dass von ihr im Umfeld der übrigen Krachorgie kaum
etwas zu hören ist. Na gut, vermutlich alles Konzept, aber eines, das meinem
Wunsch noch möglichst viele schöne Konzerte mit einigermaßen funktionierendem
Gehör zu erleben, diametral entgegensteht, und so verließ ich das Spektakel im Interesse
meiner armen Ohren vorzeitig. Sorry Dave.
A propos Dave und Drogen und so:
LSD-Trip, die zweite.
Mit so wenig Ansturm hat der
sympathische Kinochef des Hafen 2 nicht gerechnet. Ausgerechnet zum Kultfilm „Fear and Loathing in Las Vegas“ ist der
Saal nur etwa zu einem Viertel gefüllt. Ehrlich gesagt hatte auch ich meine
Zweifel, ob ich den Film noch einmal sehen will. In den späten Neunzigern hatte
ich ihn im Kino gesehen, und in meiner Erinnerung war er auf die Dauer ziemlich
nervig. Grell, kreischig, immer einen Ticken drüber. Passend zum Thema, natürlich,
aber dann auch noch angereichert mit der überbordenden Fantasie Terry Gilliams –
das hatte ich als ziemlich strapaziös in Erinnerung. Ganz so schlimm war’s dann
aber gar nicht. Die erste halbe Stunde ist unterhaltsam, die dauernden
Anspielungen auf den American Dream verleihen dem Film eine inhaltliche
Substanz, die mir vor über einem Jahrzehnt entgangen ist, und Terry Gilliam verstehe
ich seit dem zu Unrecht kaum beachteten „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ viel
besser. Johnny Depps Overacting ist legendär und Benicio Del Toro ist in dem
Film einfach unglaublich. Dennoch: auf die Länge von knapp zwei Stunden hatte
ich gegen Ende wieder leichte Ermüdungserscheinungen ob des dargebotenen Wahnsinns
im Wahnsinnstempo, und als dann im Abspann „Jumpin‘ Jack Flash“ von den Rolling
Stones im Irrsinskrach mündete, sah ich schon wieder Dave vom Vorabend vor mir
und drängte daher meine Begleitung zum Verlassen des Saales vor dem Ende des Abspanns.
Umso heilsamer für zarte Pflänzchen
wie mich der Auftritt der drei Herren von Festland.
Konnte man im Vorfeld auf der Veranstalterwebsite noch eine Empfehlungen aus
dem Elektronik-Fachmagazin de:bug und auf der Facebookseite der Band noch die
Stilart „Krauthouse“ lesen, deutete der Kontrabass auf der kleinen Bühne im
Café schon lange vor dem Konzert darauf hin, dass einem hier nicht die
Electronic Beats um die Ohren fliegen würden. Im Gegenteil. Ohne Mikrophone, mit
besagtem Kontrabass sowie Geige, reduzierter Percussion und ab und an einer
E-Gitarre lauschte man einem leisen, aber dennoch intensiven Konzert mit
reduzierten, aber dennoch effektiven Versionen eigener und fremder Songs. Eine
sehr gute Idee der Veranstalter war es, das Konzert von der Halle in das
gemütliche Café zu verlegen und keinen Eintritt zu verlangen, denn so hatten
Festland, anders als die beiden Bands am Abend zuvor, ein Publikum. Noch dazu ein
ein interessiertes und aufgeschlossenes, das sich nach kurzem Zögern zum
Mitsingen animieren bzw. für die Background Vocals einspannen ließ. So spielten
Festland eines der für mich außergewöhnlichsten Konzerte des Jahres und sorgten
für einen sehr angenehmen Ausklang des Abends. Mit LSD hatte das zwar nichts
mehr zu tun, aber nachdem Musik ohnehin meine Droge der Wahl ist, war das nicht
weiter schlimm.
So hatte ich mir Festland eigentlich vorgestellt:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen