Samstag, 29. September 2012

All but bored, weak and old?



So war es bei Fehlfarben und Mittekill im Bett


Best-Ager-Party im Bett, Fehlfarben sind in der Stadt. Wobei… Party? Die in die Jahre gekommenen Ex-Punks, Ex-Waver und Ex-Spontis strahlen immer noch die gleiche Biestigkeit und Humorlosigkeit aus, die mir ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihnen schon in den 1980ern schwer gemacht hat. Zu meiner klammheimlichen Freude stellt der Support-Act Mittekill alias Friedrich Geiling dieses ehemalige Szenepublikum, das damals wie heute auf die knallharte Sozialkritik wartet, erst mal auf eine Geduldsprobe. Zunächst kommt er auf die Bühne, stellt ein Rhythmusmaschinchen an, loopt ein paar Gitarrenakkorde – und geht wieder. Nur um ein paar gefühlte Minuten später mit Bier und Kippchen wieder zu kommen und mal loszulegen. That’s the spirit. Nonchalance, Augenzwinkern, locker machen. Das kann nicht jeder. Als Mittekill im Song „3 Tage Stromausfall“ den Messias gibt und einem auf dem Bühnenrand sitzenden Wutbürger wie ein schmieriger Chansonier väterlich die Hand auf die Schulter legt, kann man die Kieferknochen des dermaßen mit Zärtlichkeit bedachten mahlen sehen. Nach „Ich will eure Jobs nicht“ ruft gar ein aufgebrachter Herr aus dem Schutz der Dunkelheit „Wir wollen deinen Job auch nicht, wir wollen Fehlfarben“, was der Künstler mit einem „Moment mal. Jetzt wird erst mal noch gef*ckt. Und dazu kommst du hier nach vorne und tanzt“ pariert. Touché. Zumal vermutlich die wenigsten wissen, dass die Aufforderung zum Sexualakt lediglich der Titel von Mittekills letzten Stück ist.
Und wie war das so musikalisch? Nun, ein bunter, postmoderner Reigen; trashig elektronisch bis an den Rand von Scooter, dann wieder eher klassisch mit Indiegitarre. Sehr viel Ironie, hinter der aber eine erkennbare Haltung steht, die der der Fehlfarben natürlich nicht unähnlich ist. Nicht umsonst wird Mittekill beim späteren Fehlfarbenkonzert noch einmal auf die Bühne kommen und die Keyboards spielen.
Ach so, Fehlfarben. So schlimm war’s dann gar nicht. Wenig Sponti, wenig Punk, eher schon Krautrock. Peter Hein hätte uns bestimmt gerne mehr am Stream of Consciousness seiner relevanten Gedanken teilhaben lassen, aber die Band ließ ihn kaum zu Wort kommen, und Gitarrist Uwe Jahnke ermahnte ihn gar, er wolle nicht so spät ins Bett. Dabei wirkten gerade er und Schlagzeugerin Saskia von Klitzing gar nicht müde und gaben dem Konzert die nötige Power. Trotz neuer Platte gab es erstaunlich viele Greatest Hits. „Ein Jahr (es geht voran)“ hätte man zwar gerade mal auslassen können anstatt es halbherzig umzuarrangieren und dann lustlos runterzuspielen, aber bei „Paul ist tot“ ist plötzlich eine Energie im Raum, bei der man ahnt, warum Fehlfarben bis heute gefeiert werden. Doch insgesamt brachte es der Vergleich mit abgestandenem Badewasser, den mein Begleiter nach dem Konzert tätigte, doch eher auf den Punkt. Peter Hein in seinen roten Jeans und der stoische Pyrolator Kurt Dahlke an den Synthesizern – das ist im Jahre 2012 doch eher was für Nostalgiker.
Umso bezeichnender dass Supportact Mittekill offenbar doch das Herz einiger Besucher erobert hatte: das letzte Exemplar seiner LP wurde uns am Merchstand direkt vor der Nase weggeschnappt. Schade für uns, schön für ihn.


Keine Kommentare: