So war es bei Fehlfarben und Mittekill im Bett
Best-Ager-Party im Bett, Fehlfarben sind in der Stadt. Wobei…
Party? Die in die Jahre gekommenen Ex-Punks, Ex-Waver und Ex-Spontis strahlen
immer noch die gleiche Biestigkeit und Humorlosigkeit aus, die mir ein
Zugehörigkeitsgefühl zu ihnen schon in den 1980ern schwer gemacht hat. Zu
meiner klammheimlichen Freude stellt der Support-Act Mittekill alias Friedrich Geiling dieses ehemalige Szenepublikum,
das damals wie heute auf die knallharte Sozialkritik wartet, erst mal auf eine
Geduldsprobe. Zunächst kommt er auf die Bühne, stellt ein Rhythmusmaschinchen
an, loopt ein paar Gitarrenakkorde – und geht wieder. Nur um ein paar gefühlte
Minuten später mit Bier und Kippchen wieder zu kommen und mal loszulegen. That’s
the spirit. Nonchalance, Augenzwinkern, locker machen. Das kann nicht jeder.
Als Mittekill im Song „3 Tage Stromausfall“ den Messias gibt und einem auf dem
Bühnenrand sitzenden Wutbürger wie ein schmieriger Chansonier väterlich die
Hand auf die Schulter legt, kann man die Kieferknochen des dermaßen mit
Zärtlichkeit bedachten mahlen sehen. Nach „Ich will eure Jobs nicht“ ruft gar ein
aufgebrachter Herr aus dem Schutz der Dunkelheit „Wir wollen deinen Job auch
nicht, wir wollen Fehlfarben“, was der Künstler mit einem „Moment mal. Jetzt
wird erst mal noch gef*ckt. Und dazu kommst du hier nach vorne und tanzt“ pariert.
Touché. Zumal vermutlich die wenigsten wissen, dass die Aufforderung zum
Sexualakt lediglich der Titel von Mittekills letzten Stück ist.
Und wie war das so musikalisch? Nun,
ein bunter, postmoderner Reigen; trashig elektronisch bis an den Rand von
Scooter, dann wieder eher klassisch mit Indiegitarre. Sehr viel Ironie, hinter
der aber eine erkennbare Haltung steht, die der der Fehlfarben natürlich nicht
unähnlich ist. Nicht umsonst wird Mittekill beim späteren Fehlfarbenkonzert
noch einmal auf die Bühne kommen und die Keyboards spielen.
Ach so, Fehlfarben. So schlimm war’s
dann gar nicht. Wenig Sponti, wenig Punk, eher schon Krautrock. Peter Hein
hätte uns bestimmt gerne mehr am Stream of Consciousness seiner relevanten
Gedanken teilhaben lassen, aber die Band ließ ihn kaum zu Wort kommen, und
Gitarrist Uwe Jahnke ermahnte ihn gar, er wolle nicht so spät ins Bett. Dabei
wirkten gerade er und Schlagzeugerin Saskia von Klitzing gar nicht müde und
gaben dem Konzert die nötige Power. Trotz neuer Platte gab es erstaunlich viele
Greatest Hits. „Ein Jahr (es geht voran)“ hätte man zwar gerade mal auslassen
können anstatt es halbherzig umzuarrangieren und dann lustlos runterzuspielen,
aber bei „Paul ist tot“ ist plötzlich eine Energie im Raum, bei der man ahnt,
warum Fehlfarben bis heute gefeiert werden. Doch insgesamt brachte es der
Vergleich mit abgestandenem Badewasser, den mein Begleiter nach
dem Konzert tätigte, doch eher auf den Punkt. Peter Hein in seinen roten Jeans
und der stoische Pyrolator Kurt Dahlke an den Synthesizern – das ist im Jahre
2012 doch eher was für Nostalgiker.
Umso bezeichnender dass Supportact
Mittekill offenbar doch das Herz einiger Besucher erobert hatte: das letzte
Exemplar seiner LP wurde uns am Merchstand direkt vor der Nase weggeschnappt.
Schade für uns, schön für ihn.
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