01
Toy – Conductor
Eher untypisch für Toy, aber typisch
für Livemusik, die ich im Jahr 2014 sehr geschätzt habe. Lang und laut,
krautrockig und elektronisch, ausschweifend und umfassend. Gerne auch ohne
Gesang. Ansonsten haben Toy im Weinheimer Café Central eher die Gitarren
bemüht, aber auch das war ein großer Genuss. Das Versprechen ihres
spätnachmittäglichen Auftritts auf der Open Air Bühne des Maifeld Derbys im
Jahr 2013, lösten sie in der schummerigen Clubatmosphäre perfekt ein. Ein
Krachfest erster Güte.
02
Doctor Krapula – Presente
Party like it’s 1993. Crossover ist
das wohl, was die kolumbianischen Stadionrocker im lauschigen Frankfurter Bett
spielten. Vier enthusiasmierte KolumbianierInnen in den vorderen Reihen,
teutonische Büffel in der hinteren Hälfte und ein partyfreudiger König in der
Mitte, der nach keinem Konzert des Jahres so verschwitzt war wie nach diesem
und bei keinem der Konzerte des Jahres seine Sprunggelenke so geschunden hat
wie bei diesem Song.
03
BRNS – Mexico
Ähnlich energiegeladen, aber dann doch
verkopft europäisch gaben sich BRNS im Frankfurter Ponyhof. Das war auch schön
laut und vereinte einmal mehr alle Qualitäten belgischen Indierocks wie ich ihn
seit den frühen dEUS liebe. Viele gute Songs, aber „Mexico“ ist ein echter Hit.
04 The Beauty of Gemina – End of It All
Nochmal Das Bett, nochmal eine Band,
die ich zu Hause nicht unbedingt hören würde. Hatten mich The Beauty of Gemina
im Vorjahr noch mit einer musikalisch exquisiten Akustikshow beeindruckt,
konnten sie mich 2014 auch als – schluck – Gothic Rocker überzeugen. Während
mir genremäßig ähnlich klingende Bands ansonsten nach einer halben Stunde fad
werden, gelangen es The Beauty of Gemina meine Aufmerksamkeit komplett zu
halten. Einmal mehr lag das an überzeugendem Songwriting und musikalischem Können.
Und dass ich praktisch der einzige Zuschauer im Raum war, der nicht ganz in
schwarz gekleidet war, war mir daher auch recht schnell egal.
05
Girls in Hawaii – Not Dead
Zweimal Höchstnoten für die nächsten
Belgier. Auf dem durchwachsenen Maifeld Derby mit all seinen mehr oder weniger
interessanten Hypebands fielen mir Girls in Hawaii durch ein dramaturgisch
geschicktes und spannendes Set mit durchweg schönen Songs auf. Diese positive
Erfahrung wiederholte sich einige Monate später auf dem lauschigen Golden-Leaves-Festival.
„Not Dead“ ist dabei weder typisch noch untypisch für die Band, was viel über
ihre Qualität aussagt. Mir ist der Song im Kopf geblieben, daher ist er hier
dabei.
06
Trümmer – Wo bleibt die Euphorie?
Auch vom Maifeld Derby, gesehen aus
innerem Protest gegen irgendeinen Indieschlagerkäse auf der Hauptbühne, und,
ja, Gott sei Dank, es gibt sie noch die jungen Männer, die nicht wissen, wohin
mit ihrer Energie und dann eine Band gründen und solche Lieder schreiben.
07
Klaxons – Atlantis to Interzone
Tatsächlich unhörbar ist das aktuelle
Album der Klaxons. Einmal kann man der Musikpresse glauben: das ist wirklich
Mist, und, ja, es zitiert die Musik der Boybands der 1990er. Entsprechend
abgestraft wurden die ehemaligen Krawallvögel auf ihrer Tour. In Wiesbaden
mussten sie von der frisch gebauten Prachthalle des Schlachthofs in die
rumpelige Räucherkammer ausweichen. Gut für die treuen Fans, die zudem gleich
anstatt mit der aktuellen Single mit dem guten alten „Atlantis to Interzone“
begrüßt wurden. Ein Statement, das den Abend zur Party werden ließ und bei dem
es für mich keine Rolle mehr spielte, was diese Jungs musikalisch drauf haben
und was nicht.
08
Motorama – Sometimes
Gleich fünf Doppelungen auf Lieblingen
und Live-Lieblingen gibt es im Jahr 2014. Den Anfang machen Motorama, deren
Auftritt auf dem nüchtern betrachtet unerträglichen Gutmenschen-Festival „Open
Ohr“ in Mainz absolut herausragend war. Scheinbar völlig entrückt zelebrierte
die Band ihre Wave-Hymnen vor halbnackten Hippiekindern und introvertierten
Musiknerds und entfachte dabei eine mitreißende Energie, die vermutlich nur
empfinden kann, wer in den 1980ern sozialisiert wurde. Und zwar nicht in der
Friedensbewegung. Ein Hammer.
09
Metronomy – Boy Racers
Die zweite Doppelung, einfach weil ihr
Konzert in der Frankfurter Batschkapp zu Beginn des Riesenhypes um ihr Album so
herausragend war und das Konzert in Heidelberg am Ende des Jahres zeigte, dass
eine reifere, routiniertere und mitunter leicht erschöpft wirkende Band immer
noch dieselben Begeisterungsstürme entfachen kann. Neben all den Hits blieb mir
aus Heidelberg besonders „Boy Racers“ haften, da es so angenehm an die
experimentellen Anfänge der Band als One-Man-Bedroom-Project erinnert.
10
Future Islands – Long Flight
Die dritte Doppelung, einfach weil
ihre Konzerte im Hafen 2 und beim Maifeld Derby die kongeniale Entsprechung
ihrer Album-Musik waren. Große Geste, Emphase, Pathos – alles in einem Maß, das
man mögen muss und das so mancher vielleicht nur als Freakshow begreift. Bei
mir kam es an, besonders bei „Long Flight“, einem älteren Stück, das beide Mal
den krönenden Abschluss einer energiegeladenen Show darstellte.
11
Messer – Die kapieren nicht
Stellvertretend für das im Jahr 2014
einfach herausragende Phonopop-Festival, das den Rahmen für fantastische
Festivalauftritte von The Notwist, Balthazar, WhoMadeWho, The Robocop Kraus und
Ja, Panik bot und damit absolut glücklich machend war, ein wunderbarer Song der
mir zuvor unbekannten Band Messer. Erfreulich neurotisch, besonders im
beängstigenden Echo der zweiten Stimme, treibend und atmosphärisch. Es gibt
Hoffnung für deutschsprachige Indiemusik.
12
Kreisky – Scheiße, Schauspieler
Die vierte Doppelung, einfach weil ihr
Konzert im Frankfurter Mousonturm (Studio) so erfrischend aggressiv und
aufdringlich war, dass am Ende sogar der Oberklugscheißer im Publikum
verstummte. Und „Scheiße, Schauspieler“ ist einfach ein Meisterstück, musikalisch
wie textlich. Ich sage nur: „Hoffentlich treffen seine Trümmer die Burgwichser“.
Ein denkwürdiger Abend, der meine Kreisky-Phase einläutete, aus der ich auch
Ende Januar 2015 noch nicht wieder ganz raus bin.
13
Dirk Darmstaedter – Seashells
20 Zuschauer im Ludwigshafener Haus,
selbst die geschickte Platzierung von Stühlen und Bistrotischen konnte nur mühsam
kaschieren, dass es schon recht leer war. Nichtsdestotrotz konnte ich nach dem
Konzert gleich drei enthusiastische Reviews lesen (Rheinpfalz, regioactive.de
und ein Fanblog), und das zu Recht. Dirk Darmstaedter weiß einfach, was er tut;
er macht die Musik, die er gerne macht, und das merkt sein Publikum. Als Fan
seiner Musik würde ich mich nicht mal bezeichnen, als Fan seiner Konzerte aber
auf jeden Fall. Besonders reizvoll an diesem Abend ist die Duobesetzung mit dem
bewährten Lars Plogschties am Schlagzeug, besonders nachhaltig blieb mir der
Novembersong „Seashells“ im Gedächtnis.
14
Ja, Panik – Alles leer
Ein weiteres Konzert vom Phonopop, das
mir im Gedächtnis blieb. Ja, Panik wirken inzwischen ziemlich abgehoben und
allürenhaft, was ich aber angesichts der allenthalben anzutreffenden
hemdsärmeligen Kumpanei der angesagten Vollbartträger und Hippiemädchen als
eher angenehm empfinde. Eine Band, die eine Bühne braucht und kein Wohnzimmer.
15
Anna Aaron – Heathen
Die fünfte Doppelung. Hatte ich mir
auf dem Festivalkonzert im Mai ihre Platte erhört, konnte ich mich bei ihrem
Clubkonzert in Weinheim im November komplett an der Künstlerin Anna Aaron
erfreuen. Unvergessliches Outfit (Leopardenoberteil und rote Pumps), charmant
unaufdringliche Ansagen, charismatischer Gesang und ein ständiger Wechsel
zwischen Mädchenhaftigkeit und tougher Frau. Da könnte man ja fast noch mal zum
Fanboy werden.
16 Mozes & the Firstborn – I Got Skills
Stellvertretend für alle Konzerte, die
insgesamt schon okay waren, die man aber auch schnell wieder vergessen hat und
bei denen am Ende ein Song hängen bleibt. Mozes and the Firstborn begegneten
mir in diesem Sommer gleich dreimal, und I Got Skills ist ihr Hit. Ein Hit, den
man noch vor sich hin oder im Kollektiv mit anderen Festivalbesuchern singt,
wenn die Band längst die Bühne verlassen hat.
17 Gabby Young & the Other Animals – Another Ship
Stellvertretend für die Konzerte, auf
die ich mit Freikarten gelockt wurde. Paradiesvögelchen Gabby Young wäre nun
nicht meine erste Wahl gewesen mit ihren Genrereferenzen Pop, Swing, Weltmusik,
Jazz mit Burlesque-Showelementen. Doch der Weg in den Aschaffenburger
Colos-Saal hat sich gelohnt, denn der mitreißenden Energie der Dame und ihrer
Combo konnte ich mich nicht entziehen. „Another Ship“ fiel eher aus dem Rahmen
und ist eine ruhige und persönliche Nummer, wie man der Ansage der Künstlerin
entnehmen konnte; ohne den Kontext des Abends vielleicht auch einfach ein
ziemliches Schmalzstück, für mich die Erinnerung an ein wunderbares Konzert.
18
Intergalactic Lovers –No Regrets
Neben Balthazar ja meine
Lieblingsbelgier, die ich dieses Jahr auch gleich zweimal erleben durfte. Auch
hier ergab sich das Erhören der Alben wieder über den Umweg der Konzerte.
Objektiv vermutlich einfach eine weitere Indieband, subjektiv für mich große
Sympathieträger. Ein gutes Jahr, musikalisch und auch sonst, ich bereue nichts.
„No Regrets“.
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