12/10
5.10. Red Snapper (Archspace, London)
"Überhaupt scheint die Band nicht nur gut aufgelegt, sondern nach fast einem Jahr mit diesem Live-Programm extrem gut eingespielt. "Prince Blimey", 20 Jahre später, in der Reihenfolge, wie die Stücke auf dem Album zu finden sind. Zum Teil werkgetreu ("Crusoe Takes a Trip", "3 Strikes and You Are Out", "Space Sickness"), zum Teil in ihrer Dynamik forciert ("Moonbuggy", "Gridlock'd", "Lobeam"), zum Teil etwas zusammengestaucht ("Fatboy‘s Dust"). Das Ganze wie aus einem Guss, veredelt und zur absoluten Perfektion gebracht. Ein Wiederhören mit einem meiner Lieblingsalben, aber doch mit mehr Variation, behutsamer Weiterentwicklung und Dynamik, so dass es nie auch nur in Ansätzen langweilig wird und stets tanzbar bleibt. Ein Konzert, bei dem man sich wünscht, es würde nie zu Ende gehen – und das ist ein Gefühl, das ich heutzutage auf Konzerten nicht mehr habe, selbst auf sehr guten nicht, bei denen ich nach der dritten Zugabe denke, okay, jetzt kommt besser nicht noch mal raus, damit die Magie erhalten bleibt. Hier ist es anders. Es gibt drei Zugaben, das neue "Wonky Bikes“ und die beiden Klassiker "Brickred“ und "Hot Flush“ (in der Sabres-of-Paradise-Version), und gerade bei letztem war Freund Christian der Meinung, wenn das noch weitergegangen wäre, wäre ich vermutlich abgehoben. Vermutlich schon."
10/10
19.2. The Notwist (Batschkapp, Frankfurt)
"The Notwist decken alles ab. Von der Schrammelgitarre, die auf zwei der Songs klassisch und ohne nuancierte Elektroverzierung zum Einsatz kommt (was beim zweiten der Songs hormongesteuerte Mittdreißiger und mich zurück in ihre Adoleszenz versetzt und eine Mini-Moshpit entstehen lässt), bis zur reinen Laptopelektronik im Mittelteil von "Pilot“. In den meisten Fällen gehen die beiden Extreme eine Symbiose ein, was zu den von mir so geliebten Laut-Leise-Kontrasten führt. Zu denen gesellen sich die Kontraste aus poppigsten Melodien und schrägem Krach, aus Markus Achers fast schon fragiler Stimme und klotzigen Instrumentalparts. (...)
Nein, ich lege mich einmal mehr fest: The Notwist ist meine Lieblings-Liveband. Einmal im Jahr muss ein Notwist-Konzert sein. Dummheit, dass ich 2016 auf keins gegangen bin, aber andererseits war die Wiedersehensfreude so unermesslich groß, dass ich fast schon sage, das war das Konzert des Jahres 2017. Und toppt alle, die ich im vergangenen Jahr gesehen habe gleich mit."
8.4. Messer (Oetinger-Villa, Darmstadt)
"Messer beendeten an diesem Abend den zweiten Teil ihrer Tour zum aktuellen Album und waren offensichtlich beseelt von schönen Erfahrungen und Abenden. Mit anderen Worten: die hatten richtig Bock. Und das Publikum, ich inklusive, auch. Da war von Anfang an eine Verbindung; der Geist der Songs, der Texte und der Musik kam an, der Funke sprang über und die Energie des Publikums floss an die Band zurück. Musikalisch gab es vielleicht zwei Minuten in denen ich nicht so ganz bei der Sache war, ansonsten war ich bei jedem Lied voll dabei, fand sie alle super und – und das passiert mir in fortgeschrittenem Alter nicht mehr so häufig – wollte zu keiner Zeit, dass das Konzert vorbei ist."
16.6. Friends of Gas (Maifeld Derby, Mannheim)
17.6. Metronomy (Maifeld Derby Mannheim)
"Die US-Indie-Burschen American Football waren nicht so mein Ding, was mir ganz recht war, da ich mich so frühzeitig für Metronomy platzieren konnte. Deretwegen war das Derby an diesem Tag erstmals ausverkauft. Behaupte ich mal. Aber ich konnte feiern, als würden sie nur für mich spielen. Den guten Platz in Reihe zehn konnte ich durch das Durchqueren der Kinder-Moshpit zu einem geeigneten Zeitpunkt zu einem optimalem in Reihe vier machen. Ab da nur noch Feier, Rausch und das beste Konzert des Jahres. Eine Greatest-Hits-Show mit gut eingefügten neuen Songs. "Night Owl", "Old Skool" oder "Back Together" fügten sich perfekt zu "Love Letters" oder "The Bay". Mitsingen, Tanzen, Hüpfen, freundliches Schubsen - alles möglich, alles dabei. Dazu bestens gelaunte Musiker, toller Sound, tolle Lightshow – das reine Vergnügen!"
24.10. Zoot Woman (Centralstation, Darmstadt)
"Mit Konzertbeginn füllten sich die bis dato leeren ersten drei Reihen mit gut gealterten Szenejungs und -mädels, ein partyfreudiges Publikum, das ab der ersten Nummer tanzte und die Band – Achtung, neudeutsch – feierte. Okay, die vier alkoholisierten Alternativkätzchen, die neben mir ihren Pegel zügig und stetig in die Höhe trieben, feierten sich auch selbst, ließen die Band aber ihr Ding machen, machten ihr eigenes und trugen auf angenehme Art zum Partyklima bei. Mich packten Zoot Woman gleich zu Beginn mit "We won‘t break“, das ich zum Warmwerden am heimischen Laptop noch zweimal gehört hatte, dann mit den beiden Singles ihres aktuellen Albums und schließlich mit "Grey Day“. So warm gelaufen störten mich auch objektiv schwächere Nummern nicht mehr. Zumal es auf der Bühne immer etwas zu gucken gab. Und endlich eine große Bühne! Sänger und Soundtüftler, Johnny und Adam Blake, in entsprechendem Abstand, eine perfekte Lightshow, die die Bühne stets in kräftiges, aber nie grelles Licht tauchte. Da war immer etwas Dämmer und Nebel, aber auch das monochrome Blau und Rot es Plattencovers von "Absence", das sich zudem in Johnny Blakes Kleidung (blauer Anzug, rotes Poloshirt) kongenial widerspiegelte und ihn, je nach Auffallwinkel des Scheinwerfers, mit dem Licht verschmelzen ließ. Ich habe selten eine so effektive Beleuchtung bei einem Konzert gesehen. Von Lightshow möchte ich nicht reden, denn das suggeriert Laser und kalkulierte Effekte. Hier hingegen gab es offensichtlich ein Konzept mit dauerhaftem Effekt. (...)
Ich fand‘s super, und Johnny Blake dankte immerhin einer „fantastic audience“. Ob er das jeden Abend macht, bezweifle ich jetzt einfach mal, allein um weiter in dem Glauben zu leben, dass das einfach ein einzigartiger Abend war."
6.11. Romano (Zoom, Frankfurt)
"Der Auftritt ist Show pur, man hängt an den Lippen des Mannes, dem man stets anmerkt, dass er keine 20 mehr ist und bereits einige Musikstile durch hat. Was zudem sehr positiv auffällt, ist dass da wenig aus der Dose kommt. Drei Musiker hat er dabei, einen Schlagzeuger, einen Percussionisten und einen Knöpfchendreher. Insofern kommt natürlich schon was aus der Konserve, aber es ist klingt doch sehr live und fühlt sich sehr nach Band an. Da wurde das Konzept der ersten Tour eindeutig verfeinert, denn wenn ich an die Centralstation denke, denke ich in erster Linie an Romano und empfand seine beiden Begleiter eher als Staffage. Nein, es stimmt wirklich alles. Auch die Zusammenstellung der Songs ergibt Sinn, man hat fast schon das Gefühl, einer Greatest Hits-Show beizuwohnen, und das, obwohl wir erst bei Album Nummer zwei sind. Mit "Immun“ endet der eigentliche Set, und da fehlen immer noch "Der schöne General“ und "Köpenick“. Die kommen im Zugabenblock und obendrein sogar das exzellente "Cornerboy“, das ich als Video schon ein paar Mal im Internet angeschaut habe und das man als so etwas wie den Grundstein des Romano-Kosmos sehen kann, aus einer Zeit, bevor es überhaupt das erste Soloalbum gab. Mysteriös ist, dass es noch eine letzte, einzelne Zugabe gab, bei der bereits mindestens ein Drittel des Publikums auf dem Weg nach draußen war – und sich auch nicht zurück bewegte, als die Musik noch einmal anhob. Na ja, lange Schlange an der Garderobe, Montagabend, man kennt die Gründe ja. Wir blieben allerdings bis ganz zum Ende, und ich muss sagen: komplett runde Sache. Tolles Konzert, tolle Party mit nicht zu unterschätzender musikalischer Qualität und so manchem textlichen Ausflug in eine Tiefe, mit der ich nicht gerechnet hätte."
9,5/10
17.5. Peter von Poehl (Connexion Live, Toulouse)
"Peter von Poehl ist ein Charakter. Ein blonder, recht zart wirkender Mann, der jung wirkt, aber nicht mehr so jung sein kann, wenn man bedenkt, dass sein Debütalbum von 2006 ist. Während die ein, zwei Songs, die ich im Internet gehört hatte, ziemlich poppig daher kamen, wird hier mit dem ersten Stück gleich mal ein Statement gesetzt. Instrumental, zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Mundharmonika. Wuchtig, flächig und – jawohl – psychedelisch. Nicht mal die Mundharmonika nervt. Peter von Poehl hat auch einige echte Pophits auf Lager, die er aber nie gewinnträchtig ausspielt, sondern stets gegen Ende in psychedelischen Instrumentalsound münden lässt. Seine hohe und geschmeidige Stimme unterstützt dabei perfekt den Pop-/Krach-Kontrast. Ich muss immer mal wieder an die Finnen The Crash denken, die um das Jahr 2000 herum ähnliche Musik machten. Sehr, sehr schön. Denn hier wird natürlich nichts neu erfunden, aber Bekanntes gekonnt und geschickt variiert, und vor allem so aufbereitet und präsentiert, dass man selbst als Vielhörer und –seher nicht den Eindruck hat, dem Masterplan dahinter irgendwann auf die Schliche zu kommen. Nein, Peter von Poehl wirkt so, als mache er wirklich vollkommen sein eigenes Ding; die Musik, die er machen will, ohne kommerzielle oder künstlerische Abstriche. Chapeau, sage ich da nur. Ganz tiefe Verbeugung."
16.6. J. Bernardt (Maifeld Derby, Mannheim)
16.9. Gold Panda (Golden Leaves Festival, Darmstadt)
9/10
16.2. Die Sterne (Halle 02, Heidelberg)
"Am Ende bin ich schon ein wenig gerührt, als Frank Spilker sich für die letzten 25 Jahre bedankt, und als die Band nach vier Zugaben noch ein weiteres mal zu „Bis neun bist du okay“ auf die Bühne kommt, singe ich von Anfang an mit. Ein schönes Erlebnis irgendwie. Eine Band, die einen schon so lange begleitet, mal mehr, mal weniger, und bei der man sich auf dem Konzert so fühlt, als würde man einen alten Freund wiedertreffen; einen, bei dem man weiß, dass die Freundschaft weiter bestehen wird und bei dem man sich keine Sorgen machen muss, dass man sich irgendwann aus den Augen verliert."
28.2. Oum Shatt (Karlstorbahnhof, Heidelberg)
"Viele der Songs wirken inzwischen noch runder, sind an den richtigen Stellen etwas erweitert und für die Bühne tauglich gemacht. Sei es, dass die Dramatik verstärkt wurde oder die Tanzbarkeit. In jedem Fall machen alle Songs Spaß, und es ist schön neben schon immer geliebten Liedern wie "Gold to Straw“ oder "Hot, Hot, Cold, Cold“ mit "Fairground Love Affair“ eine neue Perle entdeckt zu haben. Ich kann es wirklich nur schwer nachvollziehen, warum dieser Band kein größerer Erfolg beschert wird, denn ihr Sound ist frisch und außergewöhnlich, musikalisch haben sie's drauf und hör- und tanzbar ist das alles allemal."
6.3. Christian Kjellvander (Colos-Saal, Aschaffenburg)
"Viel los war nicht im allerdings auch recht geräumigen Aschaffenburger Colos-Saal, und das Publikum war das dort übliche: eher so um die 50 und von der Bluesrocker-Fraktion, aber immerhin sehr aufnahmebereit und zuhörend. Das war schon mal ein großer Zugewinn im Vergleich zu Kjellvanders letztem Konzert in der hippen Mainzer Studentenbude „schon schön“, wo man eher mit sich selbst als mit ergreifender Musik beschäftigt war. Ja, ergreifend, denn vom ersten Song an hat Kjellvander mich wieder auf seiner Seite. Seine sonore, einzigartige Stimme, das tief dramatische und wunderschön melancholische seiner Songs jagen mir ein um den anderen Schauer über den ganzen Körper. Was für wunderbare Musik."
10.3. Bernd Begemann (Das Bett, Frankfurt)
"Der zweite Teil ist dann fast zwei Stunden lang, und am Ende hat Begemann, wie er selbst feststellt, ein Viertel des Publikums verloren. Wie immer eben. Die Fans bleiben bis zum Ende und werden, auch wie immer, auf einige ihrer Lieblingsnummern verzichten müssen: kein "Unoptimiert“, kein "St. Pauli hat uns ausgespuckt“. Leute, denen das fehlt, wären auch noch mal eine Stunde länger geblieben."
28.5. Arnim Töpel (Stadtfest Mannheim)
"Es ist hochsommerlich. Entsprechend leer ist es um halb eins noch auf dem Mannheimer Stadtfest an diesem Sonntag. Abgesehen von einer größeren Gruppe Waldhof-Hooligans, die sich schon mal auf‘s Relegationsspiel gegen den SV Meppen einstellen und irgendwann in Marschformation grölend durch die Straßen ziehen. Wir erinnern uns. Fußball ist einfach der Sport des Abschaums, darüber kann auch keine mediale Aufbereitung und keine Verwissenschaftlichung der Sportart hinwegtäuschen. Und wie passt der Arnim in diesen Rahmen? Arnim macht sich den Rahmen passend. 45 Minuten hat er Zeit, um auf der Bühne des "Kulturnetztes Mannheim" einen Querschnitt seines Schaffens zu präsentieren. (...)
Arnim Töpel ist für mich inzwischen weit mehr als ein Comedian oder Kabarettist, ich schätze ihn vor allem auch als Musiker und finde recht viele seiner Songs nicht nur witzig, sondern auch musikalisch sehr ansprechend. Insofern gab es zu dieser ungewöhnlichen Uhrzeit an einem Ort, wo ich Bands bisher eher zu meiner Belustigung wahrgenommen habe, einen der Konzerthöhepunkte des laufenden Jahres. Unerwartet, aber sehr erfreulich."
30.5. Doctor Krápula (Das Bett, Frankfurt)
"Und wieso nur 9 Punkte? Der alljährliche Doctor-Krapula-Besuch beginnt mit einer kleinen Enttäuschung: vier statt fünf engagierte Musiker stehen auf der Bühne, den Bassisten hat man zuhause gelassen. Da werden ungute Erinnerungen an die auf inzwischen drei Personen Livebesetzung geschrumpften Motorama im Februar wach. Hmpf. Kosteneinsparung und Gewinnoptimierung aller Orten. Und es ist nicht nur eine Macke von mir, schon bei den ersten Stücken merkt man: es fehlt der Live-Bass und eine Gesangsstimme. Klar, kann man alles ersetzen, stört vielleicht viele auch gar nicht, mir fällt es allerdings unangenehm auf.
Und wieso dann immer noch 9 Punkte? Ach, weil die Kolumbianer einfach Profis sind und das Ruder rechtzeitig herumreißen. Von 100 Minuten Konzert habe ich schon immer noch 95 getanzt, mitgesungen, mitgeklatscht, gegröhlt und gehüpft. Einmal mehr wurden da ungeahnte Energien freigesetzt. "Mas energia" eben. Wie alle Jahre wieder. "Presente“ als krönender Abschluss, zuvor viele, viele Highlights besonders vom ungeschlagen guten "Viva el planeta“-Album. Die Setlist ist clever genug Atempausen zu lassen, und nach der ersten Viertelstunde passt auch die Mischung von alten Hits und neuen Songs."
15.6. Friends of Gas (Ponyhof, Frankfurt)
16.9. Astronautalis (Golden Leaves Festival, Darmstadt)
26.10. Intergalactic Lovers (Schlachthof, Wiesbaden)
8,5/10
16.9. Shout Out Louds (Golden Leves Festival, Darmstadt)
8/10
15.2. Black Box Revelation (Schlachthof, Wiesbaden)
"Musik wie eine Adrenalinspritze. Mit diesem Satz schleimte ich mich bei der Newsletter-Verlosung des Schlachthofs ein. Mit Erfolg. Kann aber auch sein, dass sonst niemand mitgespielt hat, denn das Kesselhaus des Schlachthofs ist nur spärlich gefüllt, und auch während des Konzertes ist vor der Bühne noch genug Platz für die eckige Tanz-Wanderung eines lustig angetrunkenen, Mensch gewordenen Gummibärchens. In den Reihen zwei und drei stehen – neben mir – die Langhaarigen, die für Metal zu intelligent sind, aber trotzdem den krachigen Gitarrenenergieschub wollen. Genau wie ich an diesem Tag, nach sechs Stunden Unterricht und zweieinhalb Stunden Fachkonferenz, in einer Woche ohne Freiräume. So wie andere zum Sporteln gehen, gehe ich an dem Abend zu Black Box Revelation, diesem belgischen Gitarre-Schlagzeug-Duo, das einem mit lauten, aber nie doofen Garagen-Gitarren-Sounds das Hirn durchpustet. Etwa 80 Minuten dauert die Behandlung, genau richtig."
17.3. Joy Wellboy (Mousonturm Studio, Frankfurt)
"Live ist das super, aber der Funke springt bei mir nicht bei jedem Song über. Die Sympathie für die Band allerdings schon. Diese vergrößert sich, als ab der Hälfte des Konzertes die technischen Pannen beginnen. Das war für die Band sicherlich kein lustiger Abend, wenn ganze gesampelte Melodielinien plötzlich nicht abrufbar sind, aber der Charme (sie) und der Improvisationsgeist (er), den die Band in diesen Problemsituationen zeigen, nimmt einfach unglaublich für sie ein. Da wird auch schon mal ein Stück zur A-Capella-Nummer umfunktioniert oder man setzt sich halt ans Schlagzeug, wenn der ganze Elektronikkrempel den Geist aufgegeben hat."
27.3. Bilderbuch (Capitol, Offenbach)
"Viel Stehen auf Zehenspitzen ist im ausverkauften Capitol erforderlich, aber immerhin auch etwas Platz zum Tanzen, der einem trotz gefüllter Arena von den Umstehenden größtenteils eingeräumt wird. Und, ja, die Musik trägt größtenteils über das Konzert, was ich angesichts des nicht so zugänglichen aktuellen Albums etwas bezweifelt hatte. Zu Unrecht, denn die Überhits "Maschin“ und "Bungalow“ sind nicht die einzigen Songs des Abends, die echte Höhepunkte sind. Da gibt es noch "OM“, "Spliff“, "Softdrink“ oder "Schick Schock“. Und "Sneakers for Free“, zu dem hinter der Bühne eine gigantische Wand mit aufgehängten Sneakern enthüllt wird. Überhaupt, Bühne und Licht sind noch nicht wie bei den ganz großen, aber dem Rahmen angepasst. Gute Show, mitreißend, professionell. Und genau hier scheint die Krux zu liegen, denn, ich glaube es war im Journal Frankfurt, wo ich las, dass das ja alles sehr professionell und seelenlos gewesen wäre. Tja, die Hipster wenden sich ab zum Gehen. Wie ich auch zu Freund Christian auf dem Konzert sagte: ich bin froh, dass ich sie jetzt noch mal gesehen habe, denn meine Prognose: der Hipsterzenith ist hier erst mal überschritten, und Bilderbuch wird es so wie Wanda ergehen. Die Hallen werden noch ein Weilchen so bleiben oder sogar größer werden, aber dann wird‘s vermutlich schwierig. Wobei Bilderbuch musikalisch mehr drauf zu haben scheinen als die Austrorockenthusiasten von der Konkurrenz. Ich würde den Herren jedenfalls noch eine schöne, lange Karriere gönnen, denn das, was sie tun, ist durchdacht, witzig und gute Musik."
27.5. Nicolas Sturm (schon schön, Mainz)
"Drei der meistgehörten Lieder des letzten halben Jahres stammen von Nicolas Sturms Album "Angst Angst Overkill“. Neben dem Titelsong sind das "Im Land der Frühaufsteher“, eine poppig daherkommende bittere Abrechnung mit nicht totzukriegendem deutschen Nationalismus, und "Lichtjahre“, ein melancholischer Song über gelangweilte Bürgerkinder, die gerne etwas zum Chaos beitragen würden. Alle drei Songs sind dermaßen groß, dass man sie alle drei auf die Jahrescharts packen müsste. Sturm macht sich mit ihnen zum Gegenentwurf aller Max Giesingers und Tim Bendzkos dieses Landes, denn er kommt zwar poppig, aber voller Referenzen daher, und er singt über Dinge mit Belang, verständlich und nachvollziehbar, aber nie platt und eindeutig. Und an der Live-Performance kann er ja noch etwas arbeiten."
3.6. Kreidler (Hafen 2, Offenbach)
"Konzerte des Quartetts fand ich bisher immer ausgesprochen gut und faszinierend, denn die Mischung aus elektronischer Musik mit „echten Instrumenten“ mochte ich ja nun schon immer. Bei Kreidler ist es besonders das erdige Schlagzeug, das den Tracks die nötige Grundierung verleiht. Bass und Gitarre fügen sich da stets eher immer als melodietragend oder als Beiwerk passend ein, aber den Laden zusammen hält das Schlagzeug. So ist es auch an diesem Abend wieder. Faszinierend dabei, dass bisweilen nur Schlagzeug und Bass in Kommunikation zu sein scheinen und sich die Elektronik von rechts und links sich wie eine Art Glocke über den Sound der realen Instrumente stülpt. (...)
Ich bin einmal mehr beeindruckt und habe Spaß am Dechiffrieren der Sounds und wie sie zusammengebastelt sind. Und tanzen kann man auch recht gut."
18.6. Thurston Moore Group (Maifeld Derby, Mannheim)
25.7. The Divine Comedy (Centralstation, Darmstadt)
"Die Musik oszilliert zwischen eingängigem Britpop und fast schon vaudeville-artigen Passagen, die problemlos aus einem Musical stammen könnten. Kann man hören, brauche ich aber nicht zwingend zu Hause. Warum das Konzert dennoch auf 105 Minuten nur selten durchhängt, liegt an Hannon, an seinen Texten, die man auch live gesungen überwiegend gut versteht, an der clever zusammengestellten Setlist und einer exzellenten Band, in der besonders Gitarre und Akkordeon positiv auffallen und schöne musikalische Akzente setzen, mit großem Können, aber erfreulich unaufdringlich. Nach etwa zwei Dritteln verteilt Gastgeber Hannon auf der Bühne zu Easy-Listening-Pausenmusik aus der Hausbar (die sich in einem riesigen Globus, der auf der Bühne steht, versteckt) Getränke an die Musiker. Ein kleines, witziges Detail, das aber die Stimmung des Abends recht schön zusammenfasst. Partytime für Gutgereifte. Ohne gekünstelte Ekstase, Wummerbässe und sexuelle Anzüglichkeiten."
3.9. Der Herr Polaris (Hafen 2, Offenbach)
7.9. Lake (Das Bett, Frankfurt)
"Um die 20 Leute hatten sich in die Spielstätte verirrt, um die US-LoFi-Indie-Nerds Lake zu sehen. Diese sind schwer vom 70s-Soft-Rock-Sound beeinflusst, sehen unglamourös aus und sind einfach sehr liebenswert. Anders als viele ihrer Landsleute wirken sie wirklich authentisch und mit Spaß bei der Sache, weisen nicht mehr als nötig auf ihren Merch hin und sind einfach angenehme Erscheinungen. Im Gegensatz zum Rest. Finstere Blicke am Eingang bin ich ja gewohnt. Aber dass ich das Gefühl habe, allein auf einem Konzert zu sein, weil ich trotz eines gewissen Abstands zur Bühne eigentlich ganz allein in der Mitte vorne stehe, während sich der Rest der Anwesenden in die dunklen Ränder verkriecht, das ist schon wenig angenehm. (...)
Spaßfaktor daher eher bei 6, aber musikalische Qualität und Bewunderungsfaktor für Konzept und Songwriting bei 9. Ebenso übrigens auch der Auftritt in schlecht sitzenden Jeans und betont simplen Shirts. Ach, und der Sound, das muss man auch mal sagen: exquisit. Also wirklich. Klar, differenziert, beste Lautstärke. Absolut fantastisch. Da wurde die schöne Musik ins bestmögliche Licht gerückt. Insofern schön, schön schön."
20.10. Dear Reader (schon schön, Mainz)
"Irgendwann gelingt der Band dann das Kunststück, mich vom distanzierten Respekt doch auch noch emotional mitzunehmen. Und sehr schön, dass ihnen das sogar vor dem Hit "Bend“, dem einzigen Sing, den ich aktiv mit dieser Band verbinde, gelingt. Die drei Musikerinnen tauen auf, Mastermind Cherilyn ist ohnehin von Anfang an sehr angenehm charmant und freundlich und nimmt einen zunehmend mit ihren Songsintros für sich ein. Die Musik ist dauerhaft gut und abwechslungsreich – und eben in Bandbesetzung gar nicht so larifari-folkig wie ich das erwartet hatte. So gelingt Dear Reader am Ende das, was nur selten gelingt, wenn ich auf Konzerte gehe, denen ich nicht als Fanboy entgegenfiebere: sie gewinnen mich sowohl intellektuell als auch emotional."
25.10. Lali Puna (Zoom, Frankfurt)
"Erste Eindrücke: die Klimaanlage pustet wieder mal zu stark (denn so voll ist es nicht) und, hey, das nette Publikum vom Tag zuvor (bei Zoot Woman) ist heute Abend auch wieder hier. Wie schön. All diese End-Dreißiger aufwärts, die in den späten Neunzigern und frühen Zweitausenders der originellen Elektronik gelauscht haben, bevor dieses Genre (wieder) zu Kaffeehausuntermalung bzw. Anbagger-Bums-Musik verkam. Da erntet man dann auch freundliche Blicke, wenn man eine der alten Trainingsjacken aus der Sammlung mal wieder ausführt. Ein freundlich-anerkennendes Lächeln, mit dem man sich gemeinsam an die gute alte Zeit vor inzwischen auch schon 15 Jahren erinnert."
4.11. Starsailor (Zoom, Frankfurt)
"Das Publikum ist eine interessante Mischung aus Leuten, die man gar nicht auf so einem Konzert erwarten würde: ein grauhaariger Minipli-Träger, der aussah, als säße er unter der Woche tagsüber mit Thermoskanne in einem schlecht gelüfteten Büro, dazu eher biedere Sekretärinnen, Muttersprachler im Exil, gealterte Indiehörer und für diese Band etwas zu jungen Fangirls in der ersten Reihe. Zusammen aber ein angenehmes, zuhörendes und an der Band interessiertes Publikum. Die Band passt dazu, denn ihre Mitglieder wirken so gut wie gar nicht mehr wie Posterboys, sondern umfassen einen britischen Mate am Bass, einen typisch englisch aussehenden Pianisten und Keyboarder, den man optisch auch eher in o.g. Büro erwarten würde, und einen sympathisch in die Jahre gekommenen Sänger, der sich keine Mühe mehr geben muss, sein Gewicht zu halten. Wenn man das "offcial video“ von "Poor Misguided Fool“ schaut, glaubt man eine andere Person zu sehen. Und nicht nur optisch, sondern auch musikalisch erinnern mich Starsailor im Verlaufe des Konzerts vor allem an Elbow. Denn was hier läuft, ist eine Mischung aus Britpop und progressive Rock. (...)
Ich brauche etwas, um meine beobachtende Distanz zu verlieren, doch so ab der Hälfte finde ich es einfach nur noch gut. Ja, das ist nicht mehr so meine Musik, und in Zeiten von Konzerten von Red Snapper oder Zoot Woman kein Vergleich, aber ich erinnere mich im Laufe des Abends wieder daran, warum ich mal ein Britpopper war, und ich freue ich für die Band, dass sie so unbelastet von Konkurrenzdruck und Mode aufspielen können. Man hat einfach den Eindruck, hier spielt eine Band aus Spaß am Spiel und nicht, weil sie es nötig hat, und sie trifft auf ein Publikum, das genau das haben will und dieses Konzert dankbar annimmt.
7.11. José González & String Theory (Schlachthof, Wiesbaden)
"José González weiß letztlich, was er tut, und so blieb es nicht bei der Streicherverstärkung, sondern es entwickelte sich ein Abend, bei dem unterschiedliche Sounds im Vordergrund standen. Denn neben den Streichern gab es noch Flöte, Klarinette und Horn, es gab einen Keyboarder, zwei Background-Sängerinnen und vor allem drei Drummer bzw. Percussionisten. Diese durften sogar ein instrumentales Solostück spielen, und das brachte irgendwie insgesamt zum Ausdruck, was den Abend ausmachte. Eine große Bandbreite musikalischer Abwechselung."
28.11. Howe Gelb Piano Trio (Brotfabrik, Frankfurt)
"Es begann mit recht klassischem Barjazz, für das auch ein entsprechendes Publikum in der zu dreiviertel vollen Brotfabrik anwesend war. Insbesondere ein etwas rosinenartig geschrumpleter Herr ein paar Reihen vor mir bedachte so manches harmlose Solo mit begeistertem Beifall. Süß. Aber zum Glück kommt Howe ja aus einer anderen Ecke, und so ließ er den angenehmen Barjazz im rechten Moment hinter sich und griff mit der Begründung, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass man nicht zu viel Klaviermusik am Stück hören dürfe, zur Gitarre. Und begab sich in die Alternative Country-Gefilde, aus denen er kommt."
Fotos vom Maifeld-Derby und der Red-Snapper-Playlist sind von mir, andere Fotos aus dem Internet. Falls ein Fotograf das liest und es nicht gut findet, dass ich einfach sein Foto gemopst habe, bitte Bescheid sagen.
Die Live-Videos stammen von diesem Kanal: Kultur2017 Offical