Lieblingsfilme:
Arrival
Ein
Film, der auf allen Ebenen herausragend ist. Grandiose Regie,
fantastische Hauptdarstellerin, spannende und intelligente
Geschichte. Alien-Science-Fiction mit menschlicher Botschaft. Mein
Film des Jahres.
Ich,
Daniel Blake
Ken
Loach meint es weiterhin ernst und hat einen Standpunkt. Britisches
Working-Class-Kino der alten Schule, wie es sonst keiner beherrscht.
Emotional, aber nie kitschig; politisch, aber nie abstrakt. Das Herz
schlägt weiterhin links.
The
Neon Demon
War
bei Publikum und Kritik nicht gerade beliebt – ich fand ihn super.
Viel Oberflächenfetisch mit Kritik an Oberflächlichkeiten und
absurd blutigem Finale. Wie kann man das nicht geil finden?!
Vor
der Morgenröte
Josef
Hader spielt Stefan Zweig und beeindruckte mich sehr. Ein Film über
die Ohnmacht eines Intellektuellen in politischen Krisenzeiten, und
damit weit mehr als das übliche Biopic für Lesefaule.
The
Witch
Paranoia
und Okkultismus im wenig besiedelten Nordamerika des 17. Jahrhundert.
Inklusive der Sprache der Zeit. Verstörend, visuell faszinierend und
ziemlich spannend. Mein Horrorfilm des Jahres.
Wiener
Dog
Etwas
Angst hatte ich vor dem neuen Film des Gute-Laune-Vermiesers Todd
Solondz. „Happiness“ halte ich nach wie vor für den schlimmsten
Downer-Film aller Zeiten. In seinem Episodenfilm über Dackel geht es
auch um menschliche Abgründe und Abartigkeiten, aber es überwog die
Witzigkeit. Zumindest für hartgesottene Titanicleser.
Naher
ferner Osten
Ein
Tscheche reist in die Ukraine um den dortigen Konflikt besser zu
verstehen – und hat so manche ernüchternde Begegnung. Grandioser
Dokumentarfilm, dem es gelingt, beiden Seiten gerecht zu werden und
dabei doch klar Position zu beziehen. Ein Film, der sein Publikum
ernst nimmt und es selbst seine Schlüsse ziehen lässt. In Zeiten
ideologisch aufgeplusterter Nachrichtenberichterstattung ein
wohltuend unaufgeregter, sachlicher und um Fairness bemühter Zugang
zu einem extrem schwierigen Thema. Gesehen auf dem
Go-East-Filmfestival in Frankfurt.
Menschen
am Sonntag
Ein
besonderes Kinoerlebnis im Offenbacher Hafen 2: die isländischen
Elektroniker Múm vertonen live den Stummfilmklassiker „Menschen am
Sonntag“. Und der ist als solcher schon ein Meisterwerk –
sozialer Realismus, Alltag (bzw. ein Sonntag) im Deutschland der 1930er,
der zeigt, dass in diesem Land in dieser Zeit ganz normale Menschen
mit ganz normalen Träumen, Wünschen und Hoffnungen gelebt haben und
nicht nur Hitlers zukünftige Helfer, Opfer und Vollstrecker.
Auch gut:
Green
Room
Unangenehmes,
aber sehr spannendes und zunehmend gewalttätiges Action-Kammerspiel. Mit vielen Typen, denen man nicht im Dunkeln begegnen will.
The
Lobster
Der
schönste alternative Liebesfilm des Jahres, mit ein wenig
dystopischer Gesellschaftskritik und viel absurdem Humor.
A
Bigger Splash
Tilda
Swinton als der Stimme beraubte Sängerin wird an ihrem italienischen
Rückzugsort von Großmaul Ralph Fiennes be- bzw. heimgesucht. Es geht um
Zwischenmenschliches. War ich wohl gerade in der Stimmung für, hätte
mich an anderen Tagen vielleicht genervt.
Pelo
Malo
Hartes
Sozialdrama und ergreifende Initiationsgeschichte aus Venezuala. Ein
Land, in dem man nicht unbedingt leben möchte.
Money
Monster
Ich
habe ein Herz für Filme mit einem klaren Standpunkt. Ja, von mir aus
naiv und unrealistisch. Sympathisch altmodische Medien- und
Bankenkritik mit zwei Stars von früher (George Clooney und Julia
Roberts) unter der Regie eines Stars von früher (Jodie Foster). Spannend und mit Gesinnung.
Meine
Brüder und Schwestern im Norden
Die
Dame, die uns „Full Metal Village“ beschert hat, hat wieder einen
Heimatfilm gedreht. Dieses Mal durfte sie in den isolierten Norden
ihrer eigentlichen (oder anderen?) Heimat Korea reisen und dort
einfach mal die Kamera draufhalten. Unter Aufsicht, versteht sich. Faszinierende Einblicke in eine
bizarre Parallelwelt, geschickt eingefangen, da ohne offensive ideologische
Botschaft. Auch hier traute man dem Zuschauer wohl zu, eigene
Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Nocturnal
Animals
Nicht
so sensationell wie man mancher Orten lesen kann, aber ein visuelles
Prachtstück mit Amy Adams und Michael Shannon, also meiner
Schauspielerin und meinem Schauspieler des Jahres. Da kann man schon
mal darüber hinwegsehen, dass man diese Art Plot an sich alle Jahre wieder
auf dem Fantasy Filmfest sehen kann.
DVD-Entdeckungen:
99 Homes
Michael Shannon und
Andrew Garfield in einem sehr spannenden Film über... äh...
Zwangsräumungen. Engagiert und energiegeladen, so als würde Ken
Loach einen Thriller drehen. Und Michael Shannon tritt den Beweis an,
dass man auch skrupellose Finanzhaie als gebrochene Charaktere
spielen kann.
Bruchreif – The
Maiden Heist
Ja, okay, es sind
harte Zeiten. Da hat man sich doch auch mal etwas Entspannung
verdient, oder? Hier ist meine Empfehlung: Morgan Freeman,
Christopher Walken und William H. Macy als ungeschickte Kunsträuber.
Herzerwärmende, leichte Unterhaltung mit drei glänzend aufgelegten
Stars alter Schule. Erhältlich an jedem unsortierten Grabbeltisch.
Oder bei einem eurer Streaming-Dienste.
The Invitation
Paranoia-Thriller, der mir auf dem letzten Fantasy Filmfest durch die Lappen gegangen ist. Sehr stylish, mit Gespür für Spannungsaufbau und Timing. Sollte man für den vollen Effekt aber unbedingt in einem abgedunkelten Raum sehen.
Fantasy Filmfest Top 5:
Jetzt mache ich es mir selbst mal schwer. Denn der Jahrgang 2016 war für mich ein ziemlich ergiebiger. Das sieht man schon daran, dass sich mit The Witch, Green Room und The Lobster drei Filme in die obigen Listen gemogelt haben, die ich eigentlich ursprünglich auf den Fantasy Filmfest Nights gesehen hatte. Die wahren tollen Tage sind aber natürlich die elf im Sommer, und von den 39 Filmen, die ich da gesehen habe, erkläre ich die folgenden fünf zu meinen Favoriten:
My Big Night
Gleich mal der am wenigsten ins Festival passende Film zu Beginn. Alex de la Iglesias überdrehte Mediensatire ist der erste Film des Herrn, der mir nicht im letzten Drittel begann auf den Zeiger zu gehen. Einfach weil der leicht bis schwer hysterische Humor, der seine Filme meist prägt, hier passte und zudem durch gelungene Musicalnummern unterbrochen war. Ein grellbuntes Vergnügen.
Under the Shadow
Ein Film über Menschen im Krieg und die Rolle der Frau im Iran. Verpackt im Gewand eines Geistergruslers. Intelligent und effektiv.
They Call Me Jeeg Robot
Zu diesem Film notierte ich (Achtung, enthält SPOILER):
"Der erste
Fresh-Blood-Beitrag war für mich ein echter Knaller.
Anti-Superheldenfilm, Gangster- und Mafiafilm, schräge Lovestory,
ein bisschen Sozialdrama, etwas Action, ein bisserl Trash. Jeeg Robot
ist eine Wundertüte, ein wunderbarer Film, zwischen Realismus und
Fantasie, mit großen Sympathien für Verlierer und Träumer. Der
Film ist ein Antisuperheldenfilm, weil er zwar eine Superhelden hat,
dieser aber ein gebrochener Charakter ist. Nichts mit schwarz / weiß
hier; alle möglichen Grautöne und tiefstes Schwarz. Ganz toll die
geistig etwas eingeschränkte weibliche Hauptfigur, eine junge Frau
auf dem geistigen Stadium einer 10 Jährigen, deren kindischen
Verhalten, sich aber mehr und mehr als nachvollziehbare
Realitätsflucht entpuppt; ebenso toll der Oberfiesling, der im Laufe
des Films sein Interesse an Geld und Macht verliert und stattdessen
lieber medialen Ruhm und Anerkennung will. Auf amerikanisch hätte
das alles recht nervig überdreht werden können, in Händen des
italienischen Regisseurs ist es hingegen angenehm geerdet und eher
einem magischen Realismus verpflichtet als quietschbuntem
Popcornkino."
The Girl with All the Gifts
Glaubt dem Hype. Es ist wirklich der beste Zombiefilm seit Jahren.
Into the Forest
Solche Filme sind der eigentliche Grund, warum ich jedes Jahr wiederkomme. Filme, die in keine Schublade passen. Ist das jetzt Arthouse oder Grusel? Ist das jetzt eine Familiengeschichte, ein Psychodrama oder doch ein kleiner, dezenter Horrorfilm? Alles drei natürlich, deshalb ist er ja so interessant.
Wiedersehen machte Freude:
Über folgende Filme habe ich hier oder anderswo bestimmt schon mal geschwärmt. Das wunderbare Mannheimer Cinema Quadrat ermöglichte es mir sogar, drei der sechs Filme noch mal auf mittelgroßer Leinwand zu sehen. Und fünf von sechs stammen von vergangenen Fantasy Filmfestlichkeiten, was erklären könnte, warum ich auch in diesem Jahr den Großteil meines Taschengeldes wieder zu diesem in die Jahre gekommenen Wanderzirkus tragen werde.
The Babadook
It Follows
Coherence
Boyhood
Der Unbestechliche / La French
New World
Enttäuschungen:
The Revenant
Im
Internet las ich, dass Leute die Szene mit dem Bären so toll fanden,
dass sie sie sofort noch mal sehen wollten. Die wären im 17.
Jahrhundert in London am Sonntagnachmittag auch nicht in Shakespeares Globe Theatre gegangen, sondern in die benachbarte Bear-baiting Arena. Ich will
diese Szene bitte NIE wieder sehen. Und die mit dem Pferd auch nicht.
Und diesen ganzen überlangen, aufgeplusterten Überwältigungsfilm
ohnehin nicht. Ja ja, alles oscarreif. Aber letztlich auch total
belanglos.
High-Rise
Mein
Liebling Ben Wheatley schießt über‘s Ziel hinaus. Nach einer
Dreiviertelstunde optischem Hochgenuss für den
70er-Jahre-Designfreund wurde mir Wheatleys dystopische
Klassenkampfallegorie im zweiten Teil allzu unübersichtlich,
hysterisch und planlos. Und dabei wollte ich den Film doch so mögen.
Whiplash
Kommt
eigentlich ein Jahr zu spät, aber ich wollte an dieser Stelle noch
mal kurz sagen, dass ich diesen Film total nervig fand. Jazzmusik
nervt per se schon, aber der Film noch mehr. Denn er erzählt mir
einmal mehr, dass ich mich eben durchbeißen muss und dann kann ich
alles erreichen. Klar, hier tut es mehr weh und der Lehrer ist ein
Arsch. Aber am Ende hatte er ja dann doch recht. Pfui deibel.
Knock
Knock
Eli
Roth versucht einen sexy Psychothriller. Sexy klappt noch
einigermaßen, an der Psychologie scheitert der Mann für‘s Grobe
leider kläglich.
Snowden
Typischer
Oliver-Stone-Film. Hatte aber erwartet, dass mich das so flasht wie weiland
1991 JFK. Nur leider hatten wir 2016 und ich habe inzwischen ein paar
Filme mehr gesehen. Schade.
mit der Ausgabe 26/2016 habe ich mein Filmdienst-Abonnement beendet. Nach 24 Jahren (mit einem Jahr Unterbrechung). Im Jahr 2017 stellt diese wunderbare Zeitschrift nämlich ihre Printausgabe ein. Denn wir haben ja jetzt Internet. Und Filmkritik kann ja nun wirklich jeder. Kostprobe gefällig?
"Passengers ist wie Titanik nur halt im All. Allein schon wo am Ende einer von denen doch Überleben und wieder einschlafen könnte, aber beide nicht eingeschalafen sind, war es sehr Liebevoll. Einerseits war es auch in der Mitte voll Traurig als Sie erfahren hatte das Er Sie aufgeweckt hatte.
Es lohnt sich aufjedenfall anzusehen."
(http://www.moviepilot.de/users/alpay-topuz)
In diesem Sinne auf schönes neues Kinojahr!
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