Sonntag, 27. Mai 2012

Umsonst draußen


So waren ein paar Stunden auf dem Darmstädter Schlossgrabenfest

18 Uhr, Sonnenschein, 24 Grad Celsius und ein laues Lüftchen. Perfekte Ausgangsbedingungen für das Darmstädter Schlossgrabenfest an diesem Freitag im Mai. Auch gegen den Opener Rainer von Vielen lässt sich nichts sagen. Eine gelungene Mischung aus ernstzunehmender und ernstgemeinter Crossover-Musik in der Tradition der Mit-1990er. Gitarren mit HipHop, Härte mit Funk. Klingt zwar nicht neu, aber gut. Und die Texte können auch was. „Freiheit ist der Abstand zwischen Jäger und Gejagtem“ – das sagt mir was. „Von nix 'ne Ahnung, aber voll dabei“ – erlebe ich jeden Tag. Da singt man doch auch in kleiner Gruppe und im strahlenden Sonnenschein gerne mal mit. Dazu gibt’s Musikkabarett im besten Sinne. Sidos „Mein Block“ als Volksmusik mit Akkordeon? Sehr gelungen. Das Gesamtpaket funktioniert, gerne wieder.
Knapp 45 Minuten sind vergangen, und das war’s dann mit der guten Musik. Vor Kellerkommando muss ich leider schon beim Soundcheck fliehen. Der angepriesene Original-Gangsterrapper wird seinem Ruf gerecht. Unappetitliche Stimme, textlich dicke Eier, unerfreuliche Attitüde. Kann ich mit meiner Anwesenheit leider nicht beehren.
Also gemütlich über’s Gelände schlendern. Denn das macht ja den Reiz solcher Festivals aus: mit der Begleitung plaudern, Leute gucken, die üblichen Fress- und Dienstleistungsstände begutachten, schauen, was auf den anderen Bühnen gespielt wird. Doch während man üblicherweise an Bühnen verweilt, ist der Gang über’s Schlossgrabenfest eher von ständigen Fluchtbewegungen geprägt. 
Auf der "Echo-Bühne" hebt gerade Stereo Dynamite an, eine Band, die behauptet, Punk zu spielen, aber nach Metallica klingt. Egal. Hauptsache ehrliche, handgemachte Musik. Gähn. Schlimmer sind allerdings noch ThisPlay, vier junge Schwiegersöhne in spe, die nicht umsonst auf der Sparkassen-Bühne spielen und „Texte zum mitfühlen“ (Programmtext) zu bieten haben. Der Weg vom Mitgefühl zum Mitleid ist ein kurzer. Also weiter zu Bühne Nummer vier, wo man sich mit Getränk auf einer Bierbank niederlassen kann. Doch das angenehme Schwätzchen mit der Begleitung wird durch seltsame Töne unterbrochen. Klezmer-Musik mit angezogener Handbremse? Ein Blick auf die Bühne liefert Erklärungsansätze. Das Odessa-Projekt besteht optisch aus mehr oder weniger rüstigen Rentnern und wirkt musikalisch wie die örtliche Volkshochschulgruppe Balkanmusik. „Pure Lebensfreude strahlt diese Musik aus“. Dachte man sich wohl, als man mal eine CD der entsprechenden Vorbilder gehört hat. „Das können wir auch“, dachte man weiter. Nein, könnt ihr nicht! Und bevor wir anfangen zynische Scherze über ältere Mitbürger zu machen, treten wir doch lieber wieder den Rückweg an. Auf der Bühne der örtlichen Tageszeitung spielt inzwischen die nächste Nachwuchsband. Malcolm, nennt sie sich. Wieder was mit Gitarre. „Fetziger Deutschrock“ droht das Programmheft, und die schlimmsten Befürchtungen werden wahr. „Singt nur von Liebe, ihr armen Gestalten, ich will das Elend nicht nur einfach verwalten.“, sang Andreas Dorau bereits vor mehr als 10 Jahren. Das können diese selbstbewussten Adoleszenten, deren Gehörgänge vermutlich durch quarkige Bands wie Revolverheld verstopft wurden, natürlich nicht wissen. Also vielleicht einer der Headliner? Flo Mega & the Ruffcats stehen immerhin als Nummer drei auf dem Festival-Plakat. Herr Mega wäre gerne James Brown, kommt aber daher wie eine schlechte Kopie von Jan Delay. Mit allerlei Personal vollgestellte Bühne, Soul & Funk aus der Mottenkiste – die Unterschiede zu stilistisch ähnlich gelagerten Coverbands an einem Sonntagnachmittag auf dem Mannheimer Stadtfest sind marginal.  
Es ist 21 Uhr. Die Polonäse der Minderjährigen ist noch in vollem Gange; die preisbewussten örtlichen Studenten kommen erst jetzt vom Anheizen im benachbarten Park auf’s Gelände. Der Lotse muss allerdings von Bord. Denn im Offenbacher Hafen 2 gibt es am späteren Abend noch eine Schiffstaufe, von der an anderer Stelle zu berichten sein wird.

Den Nachwuchsmusikern ins Stammbuch:

 

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