Samstag, 7. Januar 2017

Die Alben des Jahres 2016

Hmm. Eigentlich müsste es eher heißen: die Alben, die von den 2016 erschienen meine liebsten sind. Denn weder handelt es sich hier um die objektiv besten, relevantesten oder angesagtesten Alben - dafür hätte ich viel mehr auf die Musikpresse hören sollen und in all die relevanten und angesagten Alben des Jahres überhaupt erst einmal reinhören müssen. Noch handelt es sich unbedingt um die Alben, die ich am häufigsten gehört habe. Denn es ist ja nicht so, dass mit der Jahreswende alle Tonträger, die vor 2016 erschienen sind, plötzlich in den Keller gepackt worden und dem süßen Vergessen anheim gefallen wären.
Und, ja, ich höre Musik auch weiterhin vom Tonträger. Ich liebe es eine Schallplatte aufzulegen und nach Ende der ersten Seite umzudrehen, den Staub aus den Rillen zu pusten, ein schönes Cover länger zu betrachten. Und auch für das allgemein gedisste Medium CD möchte ich hier mal eine Lanze brechen. Denn auch diese kann man bewusst einlegen und auch bei ihr kann man sich oft genug an einer schönen Verpackung oder einem liebevoll gemachten Booklet erfreuen. Wenn man so Musik hört, ergibt auch das seit Jahren totgesagte, aber nach wie vor nicht tot zu kriegenden Konzept des Albums wieder Sinn. "Everbody wants to be the DJ", sangen Soulwax schon im Jahre 1998 in ihrem Song "Too Many DJs". Mit Spotify und co. ist inzwischen wirklich jeder sein eigener DJ. Das ist toll, es ist aber eine andere Art, Musik zu hören. Denn mit einem Album sagen mir Künstler, Künstlerin oder Band, welche Reihenfolge, Dramatik oder welchen Spannungsaufbau sie sich vorgestellt haben. Und daher hier, um auch weiterhin ganz retro zu bleiben, meine TOP 10 dieser Art aus dem Jahr 2016:

1. Francis: Marathon
Das hatte sich nach den ersten Songs Ende 2015 angedeutet, dass hier ein großes, schönes Popalbum für Erwachsene ins Haus steht. Lange gereifte Songs, sorgfältig arrangiert, und dass Sängerin Petra eine tolle Stimme hat, wusste ich ja schon vorher. Sehr häufig gehört und in neun Monaten nichts von seiner Magie verloren.




2. Oum Shatt: Oum Shatt
Völlig unvorbereitet und unvoreingenommen über ein Konzert auf dem Mannheimer Elektrik Pony Cup entdeckt. Meine ersten Eindrücke damals: 
"Oum Shatt spielen eine Musik, die frisch klingt. Erfreulich unrockig, dafür tanzbar, entspannt und doch auf den Punkt. Präzise Rhythmik mischt sich mit Ricky-King-Gitarre aus den Siebzigern und wird durch feine Elektronik und grundierenden Bass abgerundet. Ja, da ist schon etwas Arabisches, wie man in allen Rezensionen lesen kann, aber eben so, wie diese Musik in den 60ern und 70ern von Europäern und Amerikanern absorbiert und in eigenen Songs verarbeitet wurde. Und da ist dieser Gesang und die Melodielinien, die mich irgendwann an Kissogram erinnern. Womit ich genau richtig liege, denn Oum Shatt ist das neue Bandprojekt von Kissograms Jonas Poppe. Wenn man‘s weiß, eine logische Weiterentwicklung."




3. Arpen: Arpen
Auch auf einem Konzert entdeckt, das für die Band aber wenig glücklich verlief. Desinteressierte Studenten und muffige Südhessen hatten überwiegend kein offenes Ohr für die feine Elektronik des Herrn Arpen. Ich ging interessiert nach Hause, hörte mich intensiver ein, bestellte das Album und bin seitdem hin und weg. Die richtige Balance zwischen klassischem Songwriting und experimenteller Elektronik, in jeder Hinsicht geschmackvoll umgesetzt.




4. Sorry Gilberto: Twisted Animals
Meine Sympathieträger des Jahres. Entdeckt an einem Sonntagnachmittag im Offenbacher Hafen 2. Hier meine nach dem Konzert verfasste Liebeserklärung:
"Sorry Gilberto bestehen aus zwei etwas in die Jahre gekommenen Hipsterberlinern (vermutlich mein Alter), hervorragend schluffig gekleidet und topfrisiert, die mit akustischer Gitarre, Ukulele, Melodica und Mini-Synthisizer ruhige Liedchen spielen. Kennen wir? Ja und nein. Denn was hier so harmlos daherkommt, hat es sowohl textlich als auch musikalisch in sich. Der musikalische Minimalismus ist gewollt und gekonnt. Hier spielt jemand nicht Ukulele, weil er nichts anderes kann, sondern weil es zum Song passt. Hier wird kein Hochleistungsgesang betrieben, sondern auf Englisch mit erkennbarem Akzent liedermacherartig vorgetragen. Kann man nämlich wunderbar machen, wenn man eine schöne Stimme hat. Und das haben beide, so dass Lieder, in denen Jakob und Anne im Wechsel singen, ein besonderer Genuss sind. Textlich werden Loblieder auf den grauen Himmel gesungen. Einmal explizit, aber auch sonst schwingt diese Stimmung oft mit. Miniaturen, Kurzgeschichten, stets etwas verschroben, aber mit Humor. Perfekt. „Anti-Folk“ sagt die Indiepedia. Meinetwegen, wenn Anti-Folk so klingt, ist das genau meine Musik. Denn das trifft so ziemlich alles, was ich mag, und passt so wunderbar zu diesem etwas verschlafenen, aber schönen, entspannten und gelassenen Sonntagnachmittag. Ja, ich bin frisch verliebt. So verliebt, dass ich dem Gefühl misstraue und keine Schallplatte kaufe. Dummheit, denn einige der Songs begleiten mich noch in den Folgetagen. Angefangen bei „Blockbuster“ über „Grey Sky“ und „Into the Woods“ zu „Masterpiece“ und „Chemical Romance“. Ein Kleinod jagt das nächste. Inzwischen wurden eine LP und ein älteres Album auf CD nachgekauft, eine Lücke wird hoffentlich an Weihnachten geschlossen. UPDATE 15 Minuten später: ich kann nicht bis Weihnachten warten und habe mir gerade mal die CD von „Construction Work & Stormy Weather“ gekauft, um die schmerzliche Lücke in der Diskographie zu schließen. Ach, und bevor ich es vergesse: mit „Yellow Sweater“ haben die beiden auch eines meiner Lieblingsvideos dieses Jahres geschaffen."

5. Pelzig: Medium Cool World
Und weil's so schön war, gleich noch ein Konzertbericht hinterher, denn Pelzig kenne ich zwar vom Namen her schon ewig, so richtig gehört habe ich sie aber zum ersten Mal auf dem Darmstädter Golden-Leaves-Festival.
"Der Knaller am frühen Nachmittag. Bei Wolkenhimmel, Tageslicht und auf der an sich viel zu kleinen zweiten Bühne zeigen die Bestager von Pelzig wie Energie und teilweise auch Aggression wirklich gehen. Man nehme Gitarren und Bass aus der Rock-Phase von Slut, lege ein paar Elektronikakzente drüber und mische das ganze schön breit ab, so dass ordentlich Sound entsteht. Dazu einen Sänger, der völlig anders klingt, als der von Slut: tiefer, männlicher, weniger Sänger, sondern mehr Erzähler, der auch mal in Sprechgesang verfällt (das Wort „rappen“ vermeide ich bewusst) und einen seltsam unauthentischen amerikanischen Akzent hat, der aber einen interessanten Fremd-Vertraut-Effekt erzielt. Großartig. Musik, die mich mitnimmt, die mich kickt, die Energie verströmt, die Anknüpfungspunkte bietet und doch eigenständig ist. Und Musik, die im Jahre 2016 zwischen Hochleistungsgeträller à la Adele und bewusster Innerlichkeit vollbärtiger DIY-Folk-Klampfer keinen Platz findet. Alle über 40 sind begeistert, die Eltern aus dem Martinsviertel aber retten ihre Kinder vor Gehörschäden und die gestressten Studenten-Hipster bleiben lieber mal auf der Picknickdecke sitzen. Entsprechend bin ich auch nach dem Konzert ein einsamer Plattenkäufer, der nur von einer wirklich hippen, kurzhaarigen Helferin am Stand damit getröstet wird, dass auch sie die Platte „gleich nach dem Konzert gekauft“ habe."




6. Polica: United Crushers
Bei Polica ist vor allem der Sound besonders. Zwei Schlagzeuge, die der Musik einen gewaltigen Bums verleihen, wenn sie synchron sind, und komplexe Beats kreieren, wenn sie das nicht sind. Dazu ein Bass und, zum Kontrast, eine recht sphärische Elektronik mit der ebensolchen Stimme der wunderbaren Channy Leaneagh. Und gute Musik entsteht einfach aus solchen Kontrasten. Da wird es nicht irgendwann langweilig, weil der Gesang zu elfenhaft ist. Oder eben weil es immer nur rumst. Clevere Songs, noch cleverer instrumentiert. 



7. Romano: Jenseits von Köpenick

Herrn Romano hatte ich ja lange Zeit so ein wenig als Spaßvogel abgetan, aber das stete Bewerben des Herrn durch einen geschmackssicheren Kollegen und Freund ließen mich erst auf Romanos Konzert ins Darmstadt gehen (ein Höhepunkt) und dann über die Show die Musik entdecken. Und die gefiel mir mit jedem Hören besser. Klar, es ist deutschsprachiger Hip Hop mit Augenzwinkern und vermutlich auch Vermarktungsplan. Dennoch ist Romano einfach authentisch und vor allem unglaublich sympathisch, und seine Texte sind witzig, aber nie doof oder prollig. Auch die Musik hat mir bei jedem Hören besser gefallen. Man merkt einfach, dass der Mann schon ein paar andere Genres durch hat und daher ohne Szeneschubladen auskommt. Alles in allem ein Gesamtkunstwerk, das für mich in diesem Jahr bestens funktioniert hat und meine Laune so manches Mal enorm heben konnte.




8. Messer: Jalousie
Auch hier erkläre ich mich am besten mal wieder selbst über Eindrücke von einem Konzert: 
"Krachige, ungestüme Rockmusik, bisweilen hysterisch und wütend, immer energiegeladen und mitreißend. Der Sound ist exquisit: die Gitarre quiekt, der Bass grundiert, den Drummer fand ich auch gut, und die Orgeltöne, die den Sound vor allem auf den neuen Stücken erweitern, sind live auch hervorragend. In einem Interview mit Sänger Hendrik, das ich nach dem Konzert las, fand ich bemerkenswert, dass er gerade froh ist, von seiner Musik nicht leben zu müssen. Denn, so das Argument, wenn er das müsste, müsste er Kompromisse eingehen und hätte Termindruck. So aber könne man ausprobieren, verwerfen, überdenken und am Ende etwas veröffentlichen, hinter dem man hundertprozentig stehe. Beeindruckender Standpunkt, der sich an diesem Abend auf der Bühne zeigt. Wenn man das abgedroschene Wort „authentisch“ mal bemühen möchte, hier trifft es zu. Das ist einfach ein authentischer Auftritt, voller Spielfreude und erkennbar mit Songs, die man mag und gerne spielt. Es ist der Funke, der Isolation Berlin fehlt – die, so Sänger Hendrik in erwähntem Interview, eben von der Musik leben wollen."
Und das folgende Video liebe ich ja auch, als alter Arthouse-Filmfan:




9. Warhaus: We Fucked a Flame Into Being
Balthazar machen Pause, aber an sich klingen Warhaus doch gar nicht so anders, oder? Abgesehen davon der offensivste Plattentitel des Jahres (außerhalb von Idioten-Genres wie Asso-Rap oder Death Metal)




10. Get Well Soon: Love
Und auch wenn ich die Alben dann irgendwie nie am Stück höre und immer mal denke, dass das ein oder andere Stück auch entbehrlich gewesen wäre - Konstantin Gropper ist mir einfach ans Herz gewachsen und macht so viel Dinge richtig, dass ihm weiter die Treue halte. Schon allein für dieses Video, mein Lieblingsmusikvideo des Jahres mit dem wunderbaren und unverwüstlichen Udo Kier:






Freitag, 6. Januar 2017

Das Filmjahr 2016

Lieblingsfilme:


Arrival
Ein Film, der auf allen Ebenen herausragend ist. Grandiose Regie, fantastische Hauptdarstellerin, spannende und intelligente Geschichte. Alien-Science-Fiction mit menschlicher Botschaft. Mein Film des Jahres.



Ich, Daniel Blake
Ken Loach meint es weiterhin ernst und hat einen Standpunkt. Britisches Working-Class-Kino der alten Schule, wie es sonst keiner beherrscht. Emotional, aber nie kitschig; politisch, aber nie abstrakt. Das Herz schlägt weiterhin links.



The Neon Demon
War bei Publikum und Kritik nicht gerade beliebt – ich fand ihn super. Viel Oberflächenfetisch mit Kritik an Oberflächlichkeiten und absurd blutigem Finale. Wie kann man das nicht geil finden?!



Vor der Morgenröte
Josef Hader spielt Stefan Zweig und beeindruckte mich sehr. Ein Film über die Ohnmacht eines Intellektuellen in politischen Krisenzeiten, und damit weit mehr als das übliche Biopic für Lesefaule.



The Witch
Paranoia und Okkultismus im wenig besiedelten Nordamerika des 17. Jahrhundert. Inklusive der Sprache der Zeit. Verstörend, visuell faszinierend und ziemlich spannend. Mein Horrorfilm des Jahres.



Wiener Dog
Etwas Angst hatte ich vor dem neuen Film des Gute-Laune-Vermiesers Todd Solondz. „Happiness“ halte ich nach wie vor für den schlimmsten Downer-Film aller Zeiten. In seinem Episodenfilm über Dackel geht es auch um menschliche Abgründe und Abartigkeiten, aber es überwog die Witzigkeit. Zumindest für hartgesottene Titanicleser.



Naher ferner Osten
Ein Tscheche reist in die Ukraine um den dortigen Konflikt besser zu verstehen – und hat so manche ernüchternde Begegnung. Grandioser Dokumentarfilm, dem es gelingt, beiden Seiten gerecht zu werden und dabei doch klar Position zu beziehen. Ein Film, der sein Publikum ernst nimmt und es selbst seine Schlüsse ziehen lässt. In Zeiten ideologisch aufgeplusterter Nachrichtenberichterstattung ein wohltuend unaufgeregter, sachlicher und um Fairness bemühter Zugang zu einem extrem schwierigen Thema. Gesehen auf dem Go-East-Filmfestival in Frankfurt.



Menschen am Sonntag
Ein besonderes Kinoerlebnis im Offenbacher Hafen 2: die isländischen Elektroniker Múm vertonen live den Stummfilmklassiker „Menschen am Sonntag“. Und der ist als solcher schon ein Meisterwerk – sozialer Realismus, Alltag (bzw. ein Sonntag) im Deutschland der 1930er, der zeigt, dass in diesem Land in dieser Zeit ganz normale Menschen mit ganz normalen Träumen, Wünschen und Hoffnungen gelebt haben und nicht nur Hitlers zukünftige Helfer, Opfer und Vollstrecker.




Auch gut:


Green Room
Unangenehmes, aber sehr spannendes und zunehmend gewalttätiges Action-Kammerspiel. Mit vielen Typen, denen man nicht im Dunkeln begegnen will.



The Lobster
Der schönste alternative Liebesfilm des Jahres, mit ein wenig dystopischer Gesellschaftskritik und viel absurdem Humor.



A Bigger Splash
Tilda Swinton als der Stimme beraubte Sängerin wird an ihrem italienischen Rückzugsort von Großmaul Ralph Fiennes be- bzw. heimgesucht. Es geht um Zwischenmenschliches. War ich wohl gerade in der Stimmung für, hätte mich an anderen Tagen vielleicht genervt.



Pelo Malo
Hartes Sozialdrama und ergreifende Initiationsgeschichte aus Venezuala. Ein Land, in dem man nicht unbedingt leben möchte.



Money Monster
Ich habe ein Herz für Filme mit einem klaren Standpunkt. Ja, von mir aus naiv und unrealistisch. Sympathisch altmodische Medien- und Bankenkritik mit zwei Stars von früher (George Clooney und Julia Roberts) unter der Regie eines Stars von früher (Jodie Foster). Spannend und mit Gesinnung.



Meine Brüder und Schwestern im Norden
Die Dame, die uns „Full Metal Village“ beschert hat, hat wieder einen Heimatfilm gedreht. Dieses Mal durfte sie in den isolierten Norden ihrer eigentlichen (oder anderen?) Heimat Korea reisen und dort einfach mal die Kamera draufhalten. Unter Aufsicht, versteht sich. Faszinierende Einblicke in eine bizarre Parallelwelt, geschickt eingefangen, da ohne offensive ideologische Botschaft. Auch hier traute man dem Zuschauer wohl zu, eigene Schlussfolgerungen ziehen zu können.



Nocturnal Animals
Nicht so sensationell wie man mancher Orten lesen kann, aber ein visuelles Prachtstück mit Amy Adams und Michael Shannon, also meiner Schauspielerin und meinem Schauspieler des Jahres. Da kann man schon mal darüber hinwegsehen, dass man diese Art Plot an sich alle Jahre wieder auf dem Fantasy Filmfest sehen kann.



DVD-Entdeckungen:


99 Homes
Michael Shannon und Andrew Garfield in einem sehr spannenden Film über... äh... Zwangsräumungen. Engagiert und energiegeladen, so als würde Ken Loach einen Thriller drehen. Und Michael Shannon tritt den Beweis an, dass man auch skrupellose Finanzhaie als gebrochene Charaktere spielen kann.



Bruchreif – The Maiden Heist
Ja, okay, es sind harte Zeiten. Da hat man sich doch auch mal etwas Entspannung verdient, oder? Hier ist meine Empfehlung: Morgan Freeman, Christopher Walken und William H. Macy als ungeschickte Kunsträuber. Herzerwärmende, leichte Unterhaltung mit drei glänzend aufgelegten Stars alter Schule. Erhältlich an jedem unsortierten Grabbeltisch. Oder bei einem eurer Streaming-Dienste.



The Invitation
Paranoia-Thriller, der mir auf dem letzten Fantasy Filmfest durch die Lappen gegangen ist. Sehr stylish, mit Gespür für Spannungsaufbau und Timing. Sollte man für den vollen Effekt aber unbedingt in einem abgedunkelten Raum sehen.




Fantasy Filmfest Top 5:

Jetzt mache ich es mir selbst mal schwer. Denn der Jahrgang 2016 war für mich ein ziemlich ergiebiger. Das sieht man schon daran, dass sich mit The Witch, Green Room und The Lobster drei Filme in die obigen Listen gemogelt haben, die ich eigentlich ursprünglich auf den Fantasy Filmfest Nights gesehen hatte. Die wahren tollen Tage sind aber natürlich die elf im Sommer, und von den 39 Filmen, die ich da gesehen habe, erkläre ich die folgenden fünf zu meinen Favoriten:

My Big Night
Gleich mal der am wenigsten ins Festival passende Film zu Beginn. Alex de la Iglesias überdrehte Mediensatire ist der erste Film des Herrn, der mir nicht im letzten Drittel begann auf den Zeiger zu gehen. Einfach weil der leicht bis schwer hysterische Humor, der seine Filme meist prägt, hier passte und zudem durch gelungene Musicalnummern unterbrochen war. Ein grellbuntes Vergnügen.



Under the Shadow
Ein Film über Menschen im Krieg und die Rolle der Frau im Iran. Verpackt im Gewand eines Geistergruslers. Intelligent und effektiv.



They Call Me Jeeg Robot
Zu diesem Film notierte ich (Achtung, enthält SPOILER): 

"Der erste Fresh-Blood-Beitrag war für mich ein echter Knaller. Anti-Superheldenfilm, Gangster- und Mafiafilm, schräge Lovestory, ein bisschen Sozialdrama, etwas Action, ein bisserl Trash. Jeeg Robot ist eine Wundertüte, ein wunderbarer Film, zwischen Realismus und Fantasie, mit großen Sympathien für Verlierer und Träumer. Der Film ist ein Antisuperheldenfilm, weil er zwar eine Superhelden hat, dieser aber ein gebrochener Charakter ist. Nichts mit schwarz / weiß hier; alle möglichen Grautöne und tiefstes Schwarz. Ganz toll die geistig etwas eingeschränkte weibliche Hauptfigur, eine junge Frau auf dem geistigen Stadium einer 10 Jährigen, deren kindischen Verhalten, sich aber mehr und mehr als nachvollziehbare Realitätsflucht entpuppt; ebenso toll der Oberfiesling, der im Laufe des Films sein Interesse an Geld und Macht verliert und stattdessen lieber medialen Ruhm und Anerkennung will. Auf amerikanisch hätte das alles recht nervig überdreht werden können, in Händen des italienischen Regisseurs ist es hingegen angenehm geerdet und eher einem magischen Realismus verpflichtet als quietschbuntem Popcornkino."



The Girl with All the Gifts
Glaubt dem Hype. Es ist wirklich der beste Zombiefilm seit Jahren.



Into the Forest
Solche Filme sind der eigentliche Grund, warum ich jedes Jahr wiederkomme. Filme, die in keine Schublade passen. Ist das jetzt Arthouse oder Grusel? Ist das jetzt eine Familiengeschichte, ein Psychodrama oder doch ein kleiner, dezenter Horrorfilm? Alles drei natürlich, deshalb ist er ja so interessant.




Wiedersehen machte Freude:


Über folgende Filme habe ich hier oder anderswo bestimmt schon mal geschwärmt. Das wunderbare Mannheimer Cinema Quadrat ermöglichte es mir sogar, drei der sechs Filme noch mal auf mittelgroßer Leinwand zu sehen. Und fünf von sechs stammen von vergangenen Fantasy Filmfestlichkeiten, was erklären könnte, warum ich auch in diesem Jahr den Großteil meines Taschengeldes wieder zu diesem in die Jahre gekommenen Wanderzirkus tragen werde.

The Babadook




It Follows



Coherence


Boyhood



Der Unbestechliche / La French




New World




Enttäuschungen:

The Revenant
Im Internet las ich, dass Leute die Szene mit dem Bären so toll fanden, dass sie sie sofort noch mal sehen wollten. Die wären im 17. Jahrhundert in London am Sonntagnachmittag auch nicht in Shakespeares Globe Theatre gegangen, sondern in die benachbarte Bear-baiting Arena. Ich will diese Szene bitte NIE wieder sehen. Und die mit dem Pferd auch nicht. Und diesen ganzen überlangen, aufgeplusterten Überwältigungsfilm ohnehin nicht. Ja ja, alles oscarreif. Aber letztlich auch total belanglos.

High-Rise
Mein Liebling Ben Wheatley schießt über‘s Ziel hinaus. Nach einer Dreiviertelstunde optischem Hochgenuss für den 70er-Jahre-Designfreund wurde mir Wheatleys dystopische Klassenkampfallegorie im zweiten Teil allzu unübersichtlich, hysterisch und planlos. Und dabei wollte ich den Film doch so mögen.

Whiplash
Kommt eigentlich ein Jahr zu spät, aber ich wollte an dieser Stelle noch mal kurz sagen, dass ich diesen Film total nervig fand. Jazzmusik nervt per se schon, aber der Film noch mehr. Denn er erzählt mir einmal mehr, dass ich mich eben durchbeißen muss und dann kann ich alles erreichen. Klar, hier tut es mehr weh und der Lehrer ist ein Arsch. Aber am Ende hatte er ja dann doch recht. Pfui deibel.

Knock Knock
Eli Roth versucht einen sexy Psychothriller. Sexy klappt noch einigermaßen, an der Psychologie scheitert der Mann für‘s Grobe leider kläglich.

Snowden
Typischer Oliver-Stone-Film. Hatte aber erwartet, dass mich das so flasht wie weiland 1991 JFK. Nur leider hatten wir 2016 und ich habe inzwischen ein paar Filme mehr gesehen. Schade.



Und übrigens: 

mit der Ausgabe 26/2016 habe ich mein Filmdienst-Abonnement beendet. Nach 24 Jahren (mit einem Jahr Unterbrechung). Im Jahr 2017 stellt diese wunderbare Zeitschrift nämlich ihre Printausgabe ein. Denn wir haben ja jetzt Internet. Und Filmkritik kann ja nun wirklich jeder. Kostprobe gefällig? 

"Passengers ist wie Titanik nur halt im All. Allein schon wo am Ende einer von denen doch Überleben und wieder einschlafen könnte, aber beide nicht eingeschalafen sind, war es sehr Liebevoll. Einerseits war es auch in der Mitte voll Traurig als Sie erfahren hatte das Er Sie aufgeweckt hatte.
Es lohnt sich aufjedenfall anzusehen."  
(http://www.moviepilot.de/users/alpay-topuz)

In diesem Sinne auf schönes neues Kinojahr!

Mittwoch, 4. Januar 2017

Das Konzertjahr 2016




10/10
23.1. Erdmöbel (Studio NTM, Mannheim)
4.3 Bernd Begemann (Das Bett, Frankfurt)
16.4. Motorama (Oettinger Villa, Darmstadt)
2.8. Doctor Krápula (Schlachthof, Wiesbaden)
17.9. Pelzig (Golden Leaves Festival, Arheilger Mühlchen)
1.10. Oum Shatt (Elektrik Pony Festival, Mannheim)

Der König tanzt. Bei 0:35 min.

9,5/10
27.1. Rainer von Vielen (Das Bett, Frankfurt)
11.3. Romano (Centralstation, Darmstadt)
6.10. The Beauty of Gemina (Nachtleben, Frankfurt)
23.11. Placebo (Festhalle, Frankfurt)

Placebo. Mein einziges Massenkonzert; zehnte Reihe, tendenziell rechts.


9/10
6.3. Get Well Soon (Halle 02, Heidelberg)
10.3. Múm play Menschen am Sonntag (Hafen2, Offenbach)
12.4. Kakkmaddafakka (Schlachthof, Wiesbaden)
17.4. Francis (Hafen 2, Offenbach)
18.9. Evening Hymns (Golden Leaves Festival, Arheilger Mühlchen)
23.9. Element of Crime (Amphitheater Hanau)
9.10. Sorry Gilberto (Hafen 2, Offenbach)
20.10. Warhaus (Brotfabrik, Frankfurt)
23.10. NTM Pop: (Get Well Soon Oper, Mannheim)
1.11. Messer (Schlachthof, Wiesbaden)
16.11. Oum Shatt (Das Bett, Frankfurt)

Schlachthof Wiesbaden, nach dem Messer-Konzert


8,5/10
22.9. Pink Turns Blue (Das Bett, Frankfurt)
28.10 Polica (Zoom, Frankfurt)

Eher so meine Wohlfühlkonzertgröße: ein Sonntagnachmittag im Hafen 2


8/10
25.1. Fraktus (Karlstorbahnhof, Heidelberg)
28.1. Clara Luzia (Das Bett, Frankfurt)
23.2. Villagers (Zoom, Frankfurt)
1.3. The Angelcy (Brotfabrik, Frankfurt)
17.4. Locas in Love (Hafen 2, Offenbach)
20.4. Teleman (Zoom, Frankfurt)
17.9. Me & My Drummer (Golden Leaves Festival, Arheilger Mühlchen)
18.9. Roosevelt (Golden Leaves Festival, Arheilger Mühlchen)
1.10. We Were Promised Jetpacks (Elektrik Pony Festival, Mannheim)
5.10. Isolation Berlin (Zoom, Frankfurt)
16.10. Haley Bonar (Hafen 2, Offenbach)
29.10. Kaiser Chiefs (Schlachthof, Wiesbaden)
31.10. Sophia (Zoom, Frankfurt)
1.11. Tellavision (Support von Messer, Schlachthof, Wiesbaden)