Montag, 2. Januar 2012

Das war 2011 - Die Filme

Die Besten:

Black Swan

Eine offensichtliche Wahl, an der man aber im Kinojahr 2011 nicht vorbei kommt. Eine perfekte Mischung aus Psychodrama und Horrorfilm mit einer fantastischen Natalie Portman und einer nicht zu unterschätzenden Mila Kunis. Ach, und selten habe ich im Kino so viele Menschen kreischen hören wie bei Winona Ryder und der Nagelfeile.


Die anonymen Romantiker

Benoît Poelvoorde als zwangsneurotischer Schokoladenfabrikbesitzer, der sich in eine hochsensible und nicht minder zwangsneurotische Mitarbeiterin verliebt. Eine schräge romantische Komödie voller absurdem Humor (ich sage nur Rüschenhemd!), die ihre Figuren nie bloßstellt, sondern voller Sympathie für sie ist. Zutiefst menschlich und absurd komisch zugleich.


Der Name der Leute

Wieder Romantik, wieder Franzosen, wieder die Schwierigkeiten des Zusammenfindens. Dazu gibt es Politik und Immigrantenprobleme. Und doch hat man es mit einer leichtfüßigen, intelligenten Komödie zu tun, die perfekt unterhält und der wunderbaren Sara Forrestier Raum für eine nachhaltige Darstellung bietet. Wie man schon im Trailer erkennt:


Almanya

Ebenfalls witzig, ebenfalls intelligent, ebenfalls leichtfüßig. Die beste deutsche Komödie 2011 wurde von zwei türkischen Schwestern gedreht, die das Thema Migranten in Deutschland in Zeiten eines Herrn Sarrazin erfreulich humorvoll und entspannt angehen.


In einer besseren Welt

Bewegendes Drama des Traumteams Susanne Bier und Anders Thomas Jensen, in dem private Konflikte, gesellschaftliche Umstände und die Frage nach Rache und Vergebung zu einem großen Ganzen verknüpft werden, ohne dass es jemals gewollt oder allzu abstrakt wird.


Wer ist Hanna?

Der beste Style-over-Substance-Film des Jahres.

Ich zitiere aus meiner TwoTickets-Review: “Natürlich ist die Geschichte des Teenie-Mädchens, das zur Killermaschine abgerichtet wurde, ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Und Fans von Handlungslogik dürften mit "Wer ist Hanna?" auch nicht unbedingt glücklich werden. Wie unsere Heldin beispielsweise auf der Flucht vor ihren Verfolgern nach einem Sprung ins Meer alleine und mittellos ins mal mindestens 700km entfernte Berlin gekommen ist, lässt der Film offen. Regie und Drehbuch schienen sich mehr für außergewöhnliche Schauplätze, stilisierte Action und schräge Figuren (Tom Hollander als Killer in Tennisdress und Sergio- Tacchini-Jogginganzug ist sehr unterhaltsam) zu interessieren. Wer sich auf so etwas einlassen kann - und mit zahlreichen Toten kein Problem hat -, wird auf seine Kosten kommen.“


Die verlorene Zeit

Eine gekonnte Verquickung von Politischem und Privaten: eine Liebe, die in einem polnischen KZ beginnt, eine geglückte Flucht – und dann doch das Scheitern. Ein mit viel Herzblut gemachter Film, der elegant erzählt ist und von hervorragenden Darstellern getragen wird; unaufdringlich, aber intensiv (was nicht zuletzt an der höchst sparsam, aber effektiv eingesetzten Musik liegt).


Wer wenn nicht wir

Dokumentarfilmer Andres Veiel versucht sich an einem Spielfilm über die Entstehungsphase der RAF. Der kommt weniger knallig daher als der „Baader-Meinhoff-Komplex“, ist aber deutlich intelligenter und erhellender, besonders wenn man sich schon mal ein wenig mit der Thematik beschäftigt hat.


Winter’s Bone

Düsteres White-Trash-Drama aus den USA, das eine Mischung aus Krimi- und Initiationsgeschichte erzählt, die nicht unbedingt neu ist, den Zuschauer aber durch seine Intensität und seinen Realismus in seinen Bann zieht.


Die Lincoln-Verschwörung

Und noch mal Politik. Robert Redfords Gerichtsdrama erzählt die Geschichte einer mutmaßlich an der Ermordung Abraham Lincolns beteiligten Frau und entgeht durch eine geschickte Inszenierung dem öden Historienfilm, sondern regt zum Nachdenken über den Umgang mit politischen Gefangenen an.


Die Guten:

Devil

Der vielgescholtene M. Night Shyamalan mischt geschickt realen (ein Fahrstuhl bleibt stecken) mit okkultem Horror (der Teufel sitzt mit im Fahrstuhl) und schafft dabei meinen Horrorfilm des Jahres.


Rango

Der beste computeranimierte Film des Jahres. Das liegt zum einen an Johnny Depp, nach dem das titelgebende Chamäleon Rango gestaltet wurde und den man unschwer in der Figur erkennen kann. Zum anderen merkt man dem Film die Regie Gore Verbinskis an, der normalerweise „Realfilme“ dreht und damit ein frisches Auge für das Animations-Genre mitbringt.


La Danse

Frederic Wisemans Dokumentarfilm über die Pariser Oper führt dem Zuschauer mit seinem Cinema-Verité-Stil nicht zuletzt vor Augen, wie selbstverständlich manipulativ die meisten aktuellen Dokumentarfilme durch Schnitt, Voiceover und Musikuntermalung sind.


Klitschko

Zwei echte Sympathieträger in einer kurzweiligen Dokumentation.


The King’s Speech

Verdiente Oscars in einen grandiosen Schaupielerfilm, dessen Geschichte allerdings recht routiniert erzählt wird.


Super 8

J. J. Abrams dreht einen Steven-Spielberg-Film und versetzt End-Dreißiger zurück in die wohlige Welt der 80er-Jahre-Blockbuster der „Goonies“ und von „Stand By Me“.


Scream IV

Ich zitiere mich mal wieder selbst:

„Da war ich extrem skeptisch. Scream 4 - das klingt nach Altersvorsorge des verdienten Horror-Veteranen Craven, nachdem zu allen seiner erwähnenswerten Filmen Remakes erschienen sind. Und auch von den einschlägigen Experten wurde der Film ja eher verhalten aufgenommen. Dennoch spreche ich hier eine klare Empfehlung aus. Und zwar für die Leute, die Horrorfilme mögen, zumindest den ersten Scream-Film gesehen haben und Torture-Porn a la Hostel öde und doof finden. Für mich hat der Film sowohl als Slasher (spannend) als auch als Nerd-Komödie (es wimmelt von Anspielungen auf die Entwicklung des Genres) funktioniert. Milde Medienkritik und leichter Kulturpessimismus rennen bei mir offene Türen ein und runden das positive Bild ab. Nice. Aber bitte kein Scream 5.“


Der Dieb des Lichts

Ein Blick auf das Ende der Welt (Kirgisien). Amüsant und faszinierend. Wenn Sie mal schauen wollen:


Die Mühle und das Kreuz

Ein optischer Leckerbissen. Der polnische Maler und Regisseur Lech Majewski verfilmt ein Gemälde Pieter Bruegel als Spielfilm. Es gibt faszinierende Einblicke in die Komposition des Bildes und seine Entstehungszusammenhänge, inszenatorisch allerdings auch einige Längen, die den Gesamteindruck trüben und den Film einem breiten Publikum verschließen. Aber auch hier muss man eigentlich für einen Eindruck wieder den Trailer schauen:



Der Fall Chodorkowski

Engagierter und spannender Dokumentarfilm über Russland unter Putin, formal erfreulich ambitioniert.


Zwei an einem Tag

Sympathische romatische Komödie, in bester Tradition von „Four Weddings and a Funeral“ und „Harry & Sally“.


Freunde mit gewissen Vorzügen

Und... ähem... noch eine romantische Komödie. Aber mit Mila Kunis.


Die DVD-Entdeckungen:

The Woods

Lucky McKee erweist Dario Argentos „Suspiria“ seine Referenz mit diesem atmosphärischen Grusler.


Tête de Turc

Überzeugendes Schuld- und Sühnedrama vor dem Hintergund der französischen Migrantenproblematik.


Erreur de la banque, en votre faveur

Gaunerkomödie mit Gespür für Timing, Figuren und mit den richtigen Feindbildern


Die Enttäuschungen:

In Time

Gattaca-Regisseur Andrew Niccol scheitert auf hohem Niveau und verschenkt eine Spitzenstory. Der dystopische Entwurf einer Gesellschaft, in der die Menschen mit Zeit bezahlen und mit implantierten Timern durch’s Leben laufen ist brandaktuell und faszinierend, scheitert aber an Zugeständnissen an Hollywood. Viele schöne Ideen, oft aber holprig und ungelenk erzählt. Action kann Niccol nicht; seine Retroautos wirken in Verfolgungsjagden wie Matchbox-Modelle; Amanda Seyfried sieht schmuck aus in ihrem Fetsch-Outfit, aber dass sie auf Stilettos über weite Strecken des Films rennt, kann man nicht glauben. Die Liste ließe sich fortsetzen. Schade.


Le Havre

Aki Kaurismäki wie eh und je. Aber braucht's das im Jahr 2011 noch? Und passt die skurrile Zeitlupenwelt des Finnen zum ernsthaften Hintergrund der Geschichte (afrikanische Flüchtlinge, die nach Europa kommen), den Kaurismäki ja auch ernsthaft thematisieren wollte? Ich sag’ mal nein.


Perfect Sense

Konsequent entwickeltes Katastrophenszenario, in dem die Menschen nach und nach alle ihre Sinne verlieren. Nur warum muss ich mir das anschauen? Emotionales Kidnapping ohne erkennbaren sittlichen Nährwert.


Der gestiefelte Kater 3D

Ach, was mochte ich Antiono Banderas’ Puss in Boots in den Shrek-Filmen. Nun hat das Kätzchen seinen eigenen Film, der nur leider eine total bescheurte Story erzählt, lieblose 3D-Effekte enthält und einen in der Synchronfassung mit Nichtskönner Elton als Sprecher behelligt. Film als Produkt. Total unsympathisch.


Anonymus

Anything Goes in der Postmoderne. Spektakel-Regisseur Emmerich wollte wohl was für seine Vita tun und schuf 2 Stunden bildgewaltigen bildungsbürgerlichen Nonsense, in dem er historisch Belegbares mit frei Erfundenem so gekonnt mischt, dass ich allen Englisch-LK-Lehrern viel Spaß beim Entwirren von Fakten und Fiktion wünsche. Insofern passt es schon, dass der Verleih für das Werk gerne Schulklassen in die Kinos locken wollte, und man kann nur hoffen, dass möglichst wenige Pädagogen dem Ruf folgen. Denn einen weiteren entscheidenen Nachteil hat der Film noch: er ist echt langweilig.


Poll

Großes Drama und große Gefühle waren da wohl erwünscht, Pathos und unfreiwillige Komik sind entstanden. Und das ungute Gefühl, dass hier ein weiterer Regisseur der guten alten Zeit in den verlorenen deutschen Ostgebieten nachtrauert.


Mütter und Töchter

E-K-E-L-H-A-F-T. Erzkonservatives Mütter-Töchter-Drama, in dem am Ende die Frau sterben muss, die nicht begreifen will, dass die Bestimmung der Frau das Gebären ist. Tja. Und das muss ausgerechnet Naomi Watts sein. Übel.


Alles was wir geben mussten

Das prätentiöseste Schnarchfest des Jahres. Kazuo „Baldriparan“ Ishiguro, dessen Romane aus mir weiterhin nicht nachvollziehbaren Gründen in Anglistenkreisen gefeiert werden, lieferte die Vorlage; Alex Garland, der vor langer Zeit mal „The Beach“ schrieb und seit 10 Jahren an Schreibblockade leidet, setzte sie kongenial in ein Drehbuch um; Videoclip-Regisseur und Vollbartträger Mark Romanek fand hübsche Bilder dazu. Heraus kam eine Dystopie für Leute mit Herz-Rhythmus-Schwäche, gelackt und arschlangweilig.


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