Lieblingsfilme:
Dunkirk
Ich
gebe zu, ich hatte den Film nicht auf dem Zettel. Warum weiß ich gar
nicht, denn Christopher Nolan hat mich bisher eigentlich noch nie
enttäuscht. Vermutlich weil ich keine Lust auf Kriegsfilm und WW II
hatte. Ich Narr. Denn "Dunkirk" funktioniert als durchaus auch als Anti-Kriegsfilm, weil
er die Strapazen, Verzweiflung und Sinnlosigkeit von Kriegen en
passant schildert. Zugleich ist er ein unglaublich spannender Film zum Thema Überleben. Das Tempo ist atemberaubend und
Nolan gönnt dem Zuschauer nur wenig Ruhepausen, der Score von Hans
Zimmer tut sein Übriges um zu verhindern, dass man im Kinosessel entspannt. Unglaublich intensiv, packend und zugleich klar in der
Aussage. Ein echtes Meisterwerk.
Jackie
Vor
ein paar Jahren bin ich über den Film "No!" des chilenischen
Regisseurs Pablo Larrain gestolpert. Im Jahr 2017 hatte der Mann
gleich zwei Filme in den deutschen Kino. Einer war "Jackie", in dem es um die
Tage nach der Ermordung John F. Kennedys aus der Sicht seiner Witwe
Jackie geht. Wer hier ein Melodram à la Hollywood erwartet hat,
wurde vermutlich bitter enttäuscht. Larrain stellt vielmehr den Antagonismus von Privatem und Öffentlichen am Beispiel Jackie
Kennedys heraus und feiert sie in ihrem souveränen Umgang mit der
Situation. Die Mischung aus politischen Film mit universeller
Aussage und persönlicher Geschichte mit emotionalen Momenten (an
dieser Stelle muss Natalie Portmans feine Darstellung in höchsten
Tönen gelobt werden) hat den Film für mich zu einem extrem
spannenden gemacht. Und einmal mehr ist Larrain ein Meister der
Bildgestaltung. War es in „No!“ die verwackelt unscharfe
VHS-Ästhetik sind es hier die vielen Close Ups Natalie Portmans, die
dem Zuschauer fast schon eine Komplizenschaft mit Jackie Kennedy
aufzwingen. Ein intellektuell wie visuell stimulierender Film. Kino
für Fortgeschrittene.
Wilde
Maus
Ich
bin ein Fan von Josef Hader, ich gebe es zu. Und ich habe mich sehr
gefreut, ihn einmal nicht als Ex-Polizist Brenner im Kino zu sehen.
Zwar ist auch die Hauptfigur in "Wilde Maus" ein Verlierer, aber einer, der es einem schwer macht, ihn sympathisch zu finden. Der heilige
Zorn des entlassenen Kulturkritikers, den Hader darstellt, ist zu
Beginn noch nachvollziehbar, doch im Laufe des Films kann einem das
Selbstmitleid des Anti-Helden schon auf den Nerv gehen, zumal sein
Rachefeldzug ziemlich stümperhaft ausgeführt wird. Insofern ist "Wilde Maus" etwas sperriger als die Brenner-Verfilmungen, aber
wer Hader kennt, weiß, dass er sein Publikum gerne fordert. Ich habe die Herausforderung gerne angenommen und mein diebisches Vergnügen an dem Film gehabt.
Personal
Shopper
Alle
Jahre wieder gibt es einen Film, der mich in der richtigen Stimmung
erwischt. Kristen Stewart spielt eine Amerikanerin in Paris, die für
eine Diva die titelgebende persönliche Shopperin ist, ihren Job nicht mag und
außerdem versucht, mit ihrem verstorbenen Bruder spirituellen
Kontakt herzustellen. Klingt furchtbar? Mag sein. Aber Olivier
Assayas weiß, was er tut, und ich fand den Film, ähnlich wie "The
Neon Demon" im vergangenen Jahr einen gelungenen Beitrag zum Thema
Sinnsuche in einer Welt der Oberflächlichkeiten. Definitiv keine
Empfehlung für den entspannten Videoabend, sondern Arthouse-Kino im
besten Sinne, das einen offenen Zuschauer fordert und zugleich
belohnt.
Neruda
Larrains
zweiter Film im Jahr 2017 schildert das Katz- und Maus-Spiel zwischen
dem Dichter Pablo Neruda und einen ihn verfolgenden, verkniffenen chilenischen Staatsbeamten. Einmal mehr nicht sehr linear, einmal mehr wählt
Larrain den schweren Weg und baut allerlei surreale und retardierende
Momente in die an sich geradlinige Handlung ein. Denn es geht ihm
hier um zwei archetypische Antagonisten, den Apparatschik und den
Revolutionär, den Biedermann und den Bohemien. Die beiden können
nicht miteinander, aber letztlich auch nicht ohneeinander, weil sie
füreinander sinnstiftend sind. Und auch hier treffen Politisches und
Privates wieder aufeinander, und zwar in einem bildgewaltigen und visuell ausgeklügelten Film.
Hunt
for the Wilder People
Ach,
all dieser verkopfte Arthouse-Mist. Kann der König nicht mal was
Unterhaltsames empfehlen? Klar! "Wo die wilden Menschen wohnen" oder, wie er auf den White Nights des Fantasy Filmfests hieß und im
Original heißt „Hunt for the Wilderpeople“. Die Story: ein
übergewichtiger Waisenknabe mit Gangsterallüren wird vom Jugendamt
an eine gutherzige Frau und ihren knorrigen Gatten in der
neuseeländischen Wildnis in Pflege gegeben. Die Frau stirbt und das
ungleiche Gespann aus Alm-Öhi und dauerlaberndem Teenie muss
fürderhin alleine klarkommen. Regisseur Taika Waititti, der in dem
Film auch einen genialen Auftritt als Priester hat, bescherte und
bereits „What We Do in the Shadows“ („5 Zimmer, Küche, Sarg“),
und sein trockener, skurriler Humor durchzieht auch dieses Film, der
aber gleichzeitig an jeder Stelle ein Herz für Freaks hat und gerade
in seinem zweiten Teil, wenn die titelgebende Jagd eigentlich erst
beginnt, wohlige 80er-Jahre-Reminiszenzen hervorruft. Ein Film, den
man einfach lieb haben muss.
Und der Trailer hinterher, denn der allein ist schon ein Riesenspaß:
Hitlers
Hollywood
Rüdiger
Suchsland Film zum Kino der Nationalsozialisten ist weniger
Dokumentation und mehr Essay. Er sucht nach den typischen Elementen
der NS-Filme und versucht so den Kern des Nazikinos zu finden. Die
gewählten Filmausschnitte sind faszinierend, die Fülle an Material
überbordend – und Suchslands Kommentar fast immer auf den Punkt
(und nicht ohne Humor, wenn er Marika Rökk als „Brummkreisel mit
Gummigelenken“ beschreibt). Kein Doku-Kino für Lesefaule, sondern
anregende Gedanken und grandios ausgewählte Filmbeispiele.
Das
fünfte Element
Der
einzige Film, den ich in diesem Jahr im Kino gesehen habe und den ich
in meiner Liste mit voller Punktzahl bewertet habe, ist, wie ich
gerade feststelle, „Das fünfte Element“, der zu seinem
20jährigen Jubiläum eine kurze Wiederbelebung auf der großen
Leinwand erfuhr. Ist zwar 100% 90er ist, hat mich aber dennoch über
seine gesamte Laufzeit blenden unterhalten. Oder vielleicht ja gerade
deshalb.
Weitere
gute Filme:
Room
Wollte
ich ewig nicht sehen, möchte ich bitte nicht noch mal sehen. Ist
aber wirklich ein unglaublich intensiver und berührender Film über
Elternliebe in einer Situation, die nicht extremer sein könnte. Für
Mutige.
T2
– Trainspotting 2
Konnte
nicht so gut werden wie das Original, aber das war wohl allen
Beteiligten klar. Und mir auch. Und so genoss ich dieses guilty
pleasure, erfreute mich am Wiedersehen mit allen fünf Überlebenden
und nahm erfreut zur Kenntis, dass die Geschichte ganz gut
funktioniert. Well done, Danny Boyle.
Die
Taschendiebin
High-End
Kostümschinken von meinem Lieblingskoreaner Chan-wook Park. Erstaunlich freizügig, bisweilen etwas schwülstig, ansonsten aber vor allem gepflegte Unterhaltung mit feinster Optik, guter Story und furchtlosen Darstellerinnen.
Der
Stern von Indien
Geschichtskino
für Lesefaule wie mich, das ein unrühmliches Kapitel aus der
Geschichte Großbritanniens im 20. Jahrhundert beleuchtet. Wo "Ghandi" in einem Happy End mündet, setzt dieser Film an und
zeigt die Schwierigkeiten und politische Verwerfungen im Zuge der
Entkolonialisierung und damit einhergehenden Teilung Indiens. Nicht ganz frei von simplifizierender Personalisierung, und
damit besonders gegen Ende zunehmender Melodramatik, ist der Film
über weite Strecken vor allem ein spannender Politkrimi, der im Kino zu Unrecht ziemlich unbeachtet geblieben ist.
It
Der
Hit vom diesjährigen Fantasy Filmfest. Da war sogar der große Saal Nummer 6 im Frankfurter Platzhirschkino mal wieder ausverkauft. Nicht zu unrecht, denn die Neuverfilmung von
Stephen Kings Megaschinken aus den Achtzigern ist sehr gelungenes Horrorkino (und machen
wir uns nichts vor: bei allen „Stand By Me“-Referenzen steht der
Horror hier immer klar im Vordergrund). Und zwar durchaus moderndes
Horrorkino mit Jump Scares und einigen Härten. Vielleicht will der
Film am Ende etwas zu viel, aber andererseits gelingt es ihm, das
Buch so einzudampfen, dass dessen Geist erhalten bleibt, der Film
aber dennoch seinen eigenen Weg geht.
The
Limehouse Golem
Und
noch ein Film vom Fantasy Filmfest mit einem kleinen Kinostart. Bill
Nighy in einer erfreulich großen Rolle in diesem mit Liebe zum Detail
gemachten Murder Mystery aus dem England des 19. Jahrhundert. So
mancher Gewaltexzess stört etwas in diesem historischen Ambiente,
aber insgesamt ein erfrischend altmodischer Unterhaltungsfilm mit
einigen Schauwerten und toller Musik, für den man gerne ins Kino
geht.
Three
Billboards Outside Ebbing, Missouri
Hier hatte ich bereits Anfang Dezember das Glück einer Preview. Frances
McDormand, Sam Rockwell und Woody Harrelson in einem Film, der allen
dreien hervorragende Rollen gibt. Großes Schauspielerkino mit viel
schrägem Humor, das sich am Ende zwar etwas in seiner Story
verheddert, über weite Strecken aber wirklich sehr viel Spaß macht.
Blade
Runner 2049
Denis
Villeneuve geht die Blade-Runner-Fortsetzung ziemlich elegisch an.
Wenn man sich an das nicht gerade hohe Tempo im ausführlichen
Mittelteil gewöhnt hat, kann man sich aber dem optischen und
akustischen Genuss, der diesem Regisseur einmal mehr gelingt, voll
hingeben. Okay, die Botschaft ist die alte und die Frage, was das
Menschsein eigentlich ausmacht, fand ich in "Arrival" interessanter bearbeitet, aber manchmal kann man sich ja auch nur der
Ästhetik hingeben.
Enttäuschungen und überschätzte Filme:
Mother
Darren
Aronofskys neuester Film beginnt interessant als Kammerspiel, das an "Who‘s Afraid of Virginia Woolf?" erinnert, läuft dann aber
im letzten Drittel dermaßen aus dem Ruder, dass es nur noch
unfreiwillig komisch wirkt. Eine ganz eitle Nummer ohne Substanz und
mit viel Getöse. Da habe ich mich echt geärgert.
The
Killing of a Sacred Deer
Okay,
der Regisseur ist Grieche und die rituelle Tötung des heiligen
Hirsches stammt aus einer griechischen Tragödie. Aber dass es
Regisseur Yorgos Lanthimos darum ging, eine moderne Tragödie um einen Mann zu schaffen, der
Schuld auf sich geladen hat und dafür büßen muss, kann ich
irgendwie nicht glauben. Dafür agieren alle Beteiligten – außer
Nicole Kidman an einzelnen Stellen – zu artifiziell, dafür gibt es
zu viele skurril komische Momente (okay, ich habe als einziger
gelacht als der Sohn aus dem Krankenhausbett fällt, weil er zum
Fenster gehen möchte, aber an sich ja seine Beine nicht bewegen
kann. Das war komisch, auch wenn ihr euch alle nicht getraut habt zu
lachen, ihr Karlsruher Arthouse-Kinogänger, die ihr vom deutschen
Feuilleton eingeschüchtert wart). Nein, sorry, wenn das ernst
gemeint war, ist es eine Luftnummer. Optisch super, das stimmt, aber inhaltlich hätte
ich mir - gerade nach "the Lobster" - mehr erwartet.
Get
Out
Voll auf der Höhe der Zeit mit seiner Rassismus-Thematik, noch
dazu weil er sich so elegant und amüsant verpackt, dieser nette,
kleine Film mit ironischem Augenzwinkern. Aber ganz ehrlich: am Ende
will "Get Out" ein Horrorfilm sein. Das ist er, solide und unterhaltsam ist er auch. Aber weder ist er ein großes Meisterwerk noch so
intelligent wie allerorts zu lesen war.
Planet
der Affen – Survival
Überwältigungskino
mit dem üblichen Problem einer zu langen Laufzeit, zahlreichen
Redundanzen und einer etwas sehr geradlinigen Handlung. Trotzdem war die
Kritik voll des Lobes, nicht nur über die tolle Technik, sondern
auch über die tolle Botschaft. „Der Mensch ist das schlimmste
Raubtier von allen“. Ah ja. Kalenderblatt lässt grüßen.
Atomic
Blonde
Spielt
im Berlin der 80er. Cool. Bzw. hätte cool werden können, wenn man
sich ansatzweise ein bisschen Mühe gegeben hätte und nicht die
ganze Energie auf ermüdende Kampfsequenzen der Superlative gerichtet
hätte. Ja ja, die ungeschnittene Kampfszene im Treppenhaus.
Beeindruckend. Aber Jahre nach Brian de Palma und "The Raid" eben auch
nicht mehr wirklich neu. Und wenn der Rest des Films darum sowohl
belanglos als auch schlampig bis lieblos ist, bleibt am Ende nicht mehr viel übrig. Ich verweise nur mal auf den Soundtrack, der wirkt, als habe jemand in der
Mittagspause mal kurz den „Best of 80s“-Sampler vom Wühltisch
zufallsmäßig durchgeskippt und fertig war die Laube. Ein Film als
Produkt, insgesamt ziemlich unsympathisch.
Girl
on the Train
Vermutlich
hätte ich das Buch nicht vorher lesen sollen. Denn von Paula
Hawkins' abgründigem Roman mit einer unzuverlässigen Erzählerin,
der der Leser irgendwann auch nur noch schwer vertrauen kann, ist in
dieser straighten Krimiverfilmung nicht mehr viel übrig. Konventionell und entbehrlich.
Der
junge Karl Marx
Don‘t
get me started. Da kann auch August Diehl nichts mehr retten. Der
arme Marx als Kostümschinken für lesefaule Schüler und tüttelige
Rentnerinnen. Gut gemeint, aber so typisch deutsch gemacht, dass man
nur die Hände vor's Gesicht schlagen kann, wenn man nicht schon
auf der Hälfte dieses überlangen Lehrstücks eingeschlafen ist.
Öde, langweilig, überflüssig.
DVD-Entdeckungen:
Midnight
Special
Wie "E.T." ohne diesen hässlichen, kleinen Außerirdischen. Oder wie
dieses Jugendbuch "Die Kinder vom anderen Stern" aus den Siebzigern,
falls das noch einer kennt. Hat mich damals schwer beeindruckt. Immer
noch nicht überzeugt? Na gut: Michael Shannon in einem
Jeff-Nichols-Film. Muss ich noch mehr sagen?
A Hijacking
Tobias Lindholm - ein Name, den man sich merken sollte. Extrem spannend und sehr
realistisch erzählt der Film des besagten Herrn, wie ein dänischer Frachter von
somalischen Piraten gekapert und um das Lösegeld gepokert wird.
Dabei werden alle Perspektiven beleuchtet, die Beweggründe aller
Beteiligten nachvollziehbar – und somit die ganze Tragweite von
etwas deutlich, das man aus den Nachrichten seit Jahren kennt, ohne
sich vermutlich jemals darüber Gedanken gemacht zu haben, was es für
die Betroffenen bedeutet.
A
Serious Man
Da
meine Liebe für die Coen-Brüder über die Jahre mehr und mehr
abgekühlt ist, ist mir dieses Juwel im Kino durch die Lappen
gegangen. Dabei ist "A Serious Man" Coen-Brüder in Reinform.
Düsterer, lakonischer Humor, schräge und oft wenig sympathische
Typen in der Provinz und eine Hauptfigur, für die alles schiefgeht.
Jerry Lundegaard lässt grüßen. Wobei hier an sich die biblische Hiob-Geschichte erzählt wird, aus Religionslehrersicht durchaus
ernstzunehmend, aber zugleich als Fest für den Coen-Brüder-Freund. Ich
hatte wirklich sehr viel Spaß.
Höhere
Gewalt
Ein
Familienvater ruiniert seine Ehe, als er im Moment einer
scheinbaren Lawinenkatastrophe nicht zuerst an seine Familie denkt, sondern
an sich selbst. Interessante Prämisse, die in der Geschichte zum
Glück zunehmend skurril durchgespielt wird, so dass bis zum Ende
keine Langeweile aufkommt.
Side
Effects
Steven
Soderbergh kann's noch. Es beginnt wie eine Satire auf den
Medikamentenwahn unserer Zeit, in der es für jeden stressbedingten
Tick ein Mittelchen gibt, und wendet sich dann zu einem
Mystery-Thriller im Hitchcock-Stil. Spannende, gehobene Unterhaltung
für Erwachsene mit exzellenten Darstellern.
Wiedersehen machte Freude:
Fanden
alle super, habe ich endlich nachgeholt und war sehr begeistert:
Audition
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