Montag, 2. Februar 2015

Live Lieblinge 2014 - Track by Track



01 Toy – Conductor
Eher untypisch für Toy, aber typisch für Livemusik, die ich im Jahr 2014 sehr geschätzt habe. Lang und laut, krautrockig und elektronisch, ausschweifend und umfassend. Gerne auch ohne Gesang. Ansonsten haben Toy im Weinheimer Café Central eher die Gitarren bemüht, aber auch das war ein großer Genuss. Das Versprechen ihres spätnachmittäglichen Auftritts auf der Open Air Bühne des Maifeld Derbys im Jahr 2013, lösten sie in der schummerigen Clubatmosphäre perfekt ein. Ein Krachfest erster Güte. 

02 Doctor Krapula – Presente
Party like it’s 1993. Crossover ist das wohl, was die kolumbianischen Stadionrocker im lauschigen Frankfurter Bett spielten. Vier enthusiasmierte KolumbianierInnen in den vorderen Reihen, teutonische Büffel in der hinteren Hälfte und ein partyfreudiger König in der Mitte, der nach keinem Konzert des Jahres so verschwitzt war wie nach diesem und bei keinem der Konzerte des Jahres seine Sprunggelenke so geschunden hat wie bei diesem Song.

03 BRNS – Mexico
Ähnlich energiegeladen, aber dann doch verkopft europäisch gaben sich BRNS im Frankfurter Ponyhof. Das war auch schön laut und vereinte einmal mehr alle Qualitäten belgischen Indierocks wie ich ihn seit den frühen dEUS liebe. Viele gute Songs, aber „Mexico“ ist ein echter Hit.

04 The Beauty of Gemina – End of It All
Nochmal Das Bett, nochmal eine Band, die ich zu Hause nicht unbedingt hören würde. Hatten mich The Beauty of Gemina im Vorjahr noch mit einer musikalisch exquisiten Akustikshow beeindruckt, konnten sie mich 2014 auch als – schluck – Gothic Rocker überzeugen. Während mir genremäßig ähnlich klingende Bands ansonsten nach einer halben Stunde fad werden, gelangen es The Beauty of Gemina meine Aufmerksamkeit komplett zu halten. Einmal mehr lag das an überzeugendem Songwriting und musikalischem Können. Und dass ich praktisch der einzige Zuschauer im Raum war, der nicht ganz in schwarz gekleidet war, war mir daher auch recht schnell egal.

05 Girls in Hawaii – Not Dead
Zweimal Höchstnoten für die nächsten Belgier. Auf dem durchwachsenen Maifeld Derby mit all seinen mehr oder weniger interessanten Hypebands fielen mir Girls in Hawaii durch ein dramaturgisch geschicktes und spannendes Set mit durchweg schönen Songs auf. Diese positive Erfahrung wiederholte sich einige Monate später auf dem lauschigen Golden-Leaves-Festival. „Not Dead“ ist dabei weder typisch noch untypisch für die Band, was viel über ihre Qualität aussagt. Mir ist der Song im Kopf geblieben, daher ist er hier dabei. 

06 Trümmer – Wo bleibt die Euphorie?
Auch vom Maifeld Derby, gesehen aus innerem Protest gegen irgendeinen Indieschlagerkäse auf der Hauptbühne, und, ja, Gott sei Dank, es gibt sie noch die jungen Männer, die nicht wissen, wohin mit ihrer Energie und dann eine Band gründen und solche Lieder schreiben. 

07 Klaxons – Atlantis to Interzone
Tatsächlich unhörbar ist das aktuelle Album der Klaxons. Einmal kann man der Musikpresse glauben: das ist wirklich Mist, und, ja, es zitiert die Musik der Boybands der 1990er. Entsprechend abgestraft wurden die ehemaligen Krawallvögel auf ihrer Tour. In Wiesbaden mussten sie von der frisch gebauten Prachthalle des Schlachthofs in die rumpelige Räucherkammer ausweichen. Gut für die treuen Fans, die zudem gleich anstatt mit der aktuellen Single mit dem guten alten „Atlantis to Interzone“ begrüßt wurden. Ein Statement, das den Abend zur Party werden ließ und bei dem es für mich keine Rolle mehr spielte, was diese Jungs musikalisch drauf haben und was nicht.  

08 Motorama – Sometimes
Gleich fünf Doppelungen auf Lieblingen und Live-Lieblingen gibt es im Jahr 2014. Den Anfang machen Motorama, deren Auftritt auf dem nüchtern betrachtet unerträglichen Gutmenschen-Festival „Open Ohr“ in Mainz absolut herausragend war. Scheinbar völlig entrückt zelebrierte die Band ihre Wave-Hymnen vor halbnackten Hippiekindern und introvertierten Musiknerds und entfachte dabei eine mitreißende Energie, die vermutlich nur empfinden kann, wer in den 1980ern sozialisiert wurde. Und zwar nicht in der Friedensbewegung. Ein Hammer.

09 Metronomy – Boy Racers
Die zweite Doppelung, einfach weil ihr Konzert in der Frankfurter Batschkapp zu Beginn des Riesenhypes um ihr Album so herausragend war und das Konzert in Heidelberg am Ende des Jahres zeigte, dass eine reifere, routiniertere und mitunter leicht erschöpft wirkende Band immer noch dieselben Begeisterungsstürme entfachen kann. Neben all den Hits blieb mir aus Heidelberg besonders „Boy Racers“ haften, da es so angenehm an die experimentellen Anfänge der Band als One-Man-Bedroom-Project erinnert.

10 Future Islands – Long Flight
Die dritte Doppelung, einfach weil ihre Konzerte im Hafen 2 und beim Maifeld Derby die kongeniale Entsprechung ihrer Album-Musik waren. Große Geste, Emphase, Pathos – alles in einem Maß, das man mögen muss und das so mancher vielleicht nur als Freakshow begreift. Bei mir kam es an, besonders bei „Long Flight“, einem älteren Stück, das beide Mal den krönenden Abschluss einer energiegeladenen Show darstellte.

11 Messer – Die kapieren nicht
Stellvertretend für das im Jahr 2014 einfach herausragende Phonopop-Festival, das den Rahmen für fantastische Festivalauftritte von The Notwist, Balthazar, WhoMadeWho, The Robocop Kraus und Ja, Panik bot und damit absolut glücklich machend war, ein wunderbarer Song der mir zuvor unbekannten Band Messer. Erfreulich neurotisch, besonders im beängstigenden Echo der zweiten Stimme, treibend und atmosphärisch. Es gibt Hoffnung für deutschsprachige Indiemusik. 

12 Kreisky – Scheiße, Schauspieler
Die vierte Doppelung, einfach weil ihr Konzert im Frankfurter Mousonturm (Studio) so erfrischend aggressiv und aufdringlich war, dass am Ende sogar der Oberklugscheißer im Publikum verstummte. Und „Scheiße, Schauspieler“ ist einfach ein Meisterstück, musikalisch wie textlich. Ich sage nur: „Hoffentlich treffen seine Trümmer die Burgwichser“. Ein denkwürdiger Abend, der meine Kreisky-Phase einläutete, aus der ich auch Ende Januar 2015 noch nicht wieder ganz raus bin.

13 Dirk Darmstaedter – Seashells
20 Zuschauer im Ludwigshafener Haus, selbst die geschickte Platzierung von Stühlen und Bistrotischen konnte nur mühsam kaschieren, dass es schon recht leer war. Nichtsdestotrotz konnte ich nach dem Konzert gleich drei enthusiastische Reviews lesen (Rheinpfalz, regioactive.de und ein Fanblog), und das zu Recht. Dirk Darmstaedter weiß einfach, was er tut; er macht die Musik, die er gerne macht, und das merkt sein Publikum. Als Fan seiner Musik würde ich mich nicht mal bezeichnen, als Fan seiner Konzerte aber auf jeden Fall. Besonders reizvoll an diesem Abend ist die Duobesetzung mit dem bewährten Lars Plogschties am Schlagzeug, besonders nachhaltig blieb mir der Novembersong „Seashells“ im Gedächtnis.

14 Ja, Panik – Alles leer
Ein weiteres Konzert vom Phonopop, das mir im Gedächtnis blieb. Ja, Panik wirken inzwischen ziemlich abgehoben und allürenhaft, was ich aber angesichts der allenthalben anzutreffenden hemdsärmeligen Kumpanei der angesagten Vollbartträger und Hippiemädchen als eher angenehm empfinde. Eine Band, die eine Bühne braucht und kein Wohnzimmer.

15 Anna Aaron – Heathen
Die fünfte Doppelung. Hatte ich mir auf dem Festivalkonzert im Mai ihre Platte erhört, konnte ich mich bei ihrem Clubkonzert in Weinheim im November komplett an der Künstlerin Anna Aaron erfreuen. Unvergessliches Outfit (Leopardenoberteil und rote Pumps), charmant unaufdringliche Ansagen, charismatischer Gesang und ein ständiger Wechsel zwischen Mädchenhaftigkeit und tougher Frau. Da könnte man ja fast noch mal zum Fanboy werden. 

16 Mozes & the Firstborn – I Got Skills
Stellvertretend für alle Konzerte, die insgesamt schon okay waren, die man aber auch schnell wieder vergessen hat und bei denen am Ende ein Song hängen bleibt. Mozes and the Firstborn begegneten mir in diesem Sommer gleich dreimal, und I Got Skills ist ihr Hit. Ein Hit, den man noch vor sich hin oder im Kollektiv mit anderen Festivalbesuchern singt, wenn die Band längst die Bühne verlassen hat.

17 Gabby Young & the Other Animals – Another Ship
Stellvertretend für die Konzerte, auf die ich mit Freikarten gelockt wurde. Paradiesvögelchen Gabby Young wäre nun nicht meine erste Wahl gewesen mit ihren Genrereferenzen Pop, Swing, Weltmusik, Jazz mit Burlesque-Showelementen. Doch der Weg in den Aschaffenburger Colos-Saal hat sich gelohnt, denn der mitreißenden Energie der Dame und ihrer Combo konnte ich mich nicht entziehen. „Another Ship“ fiel eher aus dem Rahmen und ist eine ruhige und persönliche Nummer, wie man der Ansage der Künstlerin entnehmen konnte; ohne den Kontext des Abends vielleicht auch einfach ein ziemliches Schmalzstück, für mich die Erinnerung an ein wunderbares Konzert.

18 Intergalactic Lovers –No Regrets
Neben Balthazar ja meine Lieblingsbelgier, die ich dieses Jahr auch gleich zweimal erleben durfte. Auch hier ergab sich das Erhören der Alben wieder über den Umweg der Konzerte. Objektiv vermutlich einfach eine weitere Indieband, subjektiv für mich große Sympathieträger. Ein gutes Jahr, musikalisch und auch sonst, ich bereue nichts. „No Regrets“. 


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