Dienstag, 3. Februar 2015

Das Konzertjahr 2014

Die besten Konzerte in Listenform:


10/10:
The Notwist (Schlachthof, Wiesbaden und Phonopop, Rüsselheim)
Metronomy (Batschkapp, Frankfurt und Stadthalle, Heidelberg)
Future Islands (Hafen 2, Offenbach und Maifeld Derby, Mannheim)
Girls in Hawaii (Maifeld Derby, Mannheim und Golden Leaves, Pfungstadt)
Motorama (Open Ohr, Mainz)

Balthazar (Karlstorbahnhof, Heidelberg und Phonopop, Rüsselheim)
WhoMadeWho  (Phonopop, Rüsselheim)
Doctor Krapula (Das Bett, Frankfurt) 
We Have Band (Electrik Pony, Mannheim)


9/10:
Slut (Zoom, Frankfurt)
Gabby Young & the Other Animals (Colos-Saal, Aschaffenburg)
Toy (Café Central, Weinheim)
Joachim Witt (Alte Seilerei, Mannheim)
Anna Aaron (Maifeld Derby, Mannheim und Café Central, Weinheim)
Get Well Soon & le Grand Ensemble (Maifeld Derby, Mannheim) 
Ja, Panik (Phonopop, Rüsselheim)
Rafael Cortés (Innenhof des Kollegiumsgebäudes, Darmstadt)
Kreisky (Mousonturm Studio, Frankfurt) 
Dirk Darmstaedter & Lars Plogschties (Das Haus, Ludwigshafen)
Klaxons (Schlachthof, Wiesbaden)
The Miserable Rich (Schlachthof Wiesbaden)
Kreidler (Schlachthof, Wiesbaden und Hafen 2, Offenbach)


8/10:
Die höchste Eisenbahn (Centralstation, Darmstadt)
Rainer von Vielen (Das Bett, Darmstadt)
Christian Kjellvander & Band (schon schön, Mainz)
Abby (Schlachthof, Wiesbaden)
Hugh Cornwell (Nachtleben, Frankfurt)
The Beauty of Gemina (Das Bett, Frankfurt)
We Invented Paris (Speicher, Husum)
Intergalactic Lovers (Schlachthof, Wiesbaden und Golden Leaves, Pfungstadt)

BRNS (Ponyhof, Frankfurt)
Rah Rah (Maifeld Derby, Mannheim)
Bernhoft (Maifeld Derby, Mannheim)
Trümmer (Maifeld Derby, Mannheim)
Talking to Turtles (Open Ohr, Mainz und Golden Leaves, Pfungstadt und Hafen 2, Offenbach)
Kakkmaddafakka (Open Ohr, Mainz)
Scott Matthew (Open Ohr, Mainz)
Messer (Phonopop, Rüsselsheim)

The Robocop Kraus (Phonopop, Rüsselsheim)
Indochine (Parc d'expositions, Colmar)
Junip (Heimathafen, Berlin)
Solander (Golden Leaves, Pfungstadt)
And the Golden Choir (Hafen 2, Offenbach)
Camera (Schlachthof, Wiesbaden)
Jaga Jazzist (Hafen 2, Offenbach)
Extrabreit (Cubana, Siegburg)



Montag, 2. Februar 2015

Live Lieblinge 2014 - Track by Track



01 Toy – Conductor
Eher untypisch für Toy, aber typisch für Livemusik, die ich im Jahr 2014 sehr geschätzt habe. Lang und laut, krautrockig und elektronisch, ausschweifend und umfassend. Gerne auch ohne Gesang. Ansonsten haben Toy im Weinheimer Café Central eher die Gitarren bemüht, aber auch das war ein großer Genuss. Das Versprechen ihres spätnachmittäglichen Auftritts auf der Open Air Bühne des Maifeld Derbys im Jahr 2013, lösten sie in der schummerigen Clubatmosphäre perfekt ein. Ein Krachfest erster Güte. 

02 Doctor Krapula – Presente
Party like it’s 1993. Crossover ist das wohl, was die kolumbianischen Stadionrocker im lauschigen Frankfurter Bett spielten. Vier enthusiasmierte KolumbianierInnen in den vorderen Reihen, teutonische Büffel in der hinteren Hälfte und ein partyfreudiger König in der Mitte, der nach keinem Konzert des Jahres so verschwitzt war wie nach diesem und bei keinem der Konzerte des Jahres seine Sprunggelenke so geschunden hat wie bei diesem Song.

03 BRNS – Mexico
Ähnlich energiegeladen, aber dann doch verkopft europäisch gaben sich BRNS im Frankfurter Ponyhof. Das war auch schön laut und vereinte einmal mehr alle Qualitäten belgischen Indierocks wie ich ihn seit den frühen dEUS liebe. Viele gute Songs, aber „Mexico“ ist ein echter Hit.

04 The Beauty of Gemina – End of It All
Nochmal Das Bett, nochmal eine Band, die ich zu Hause nicht unbedingt hören würde. Hatten mich The Beauty of Gemina im Vorjahr noch mit einer musikalisch exquisiten Akustikshow beeindruckt, konnten sie mich 2014 auch als – schluck – Gothic Rocker überzeugen. Während mir genremäßig ähnlich klingende Bands ansonsten nach einer halben Stunde fad werden, gelangen es The Beauty of Gemina meine Aufmerksamkeit komplett zu halten. Einmal mehr lag das an überzeugendem Songwriting und musikalischem Können. Und dass ich praktisch der einzige Zuschauer im Raum war, der nicht ganz in schwarz gekleidet war, war mir daher auch recht schnell egal.

05 Girls in Hawaii – Not Dead
Zweimal Höchstnoten für die nächsten Belgier. Auf dem durchwachsenen Maifeld Derby mit all seinen mehr oder weniger interessanten Hypebands fielen mir Girls in Hawaii durch ein dramaturgisch geschicktes und spannendes Set mit durchweg schönen Songs auf. Diese positive Erfahrung wiederholte sich einige Monate später auf dem lauschigen Golden-Leaves-Festival. „Not Dead“ ist dabei weder typisch noch untypisch für die Band, was viel über ihre Qualität aussagt. Mir ist der Song im Kopf geblieben, daher ist er hier dabei. 

06 Trümmer – Wo bleibt die Euphorie?
Auch vom Maifeld Derby, gesehen aus innerem Protest gegen irgendeinen Indieschlagerkäse auf der Hauptbühne, und, ja, Gott sei Dank, es gibt sie noch die jungen Männer, die nicht wissen, wohin mit ihrer Energie und dann eine Band gründen und solche Lieder schreiben. 

07 Klaxons – Atlantis to Interzone
Tatsächlich unhörbar ist das aktuelle Album der Klaxons. Einmal kann man der Musikpresse glauben: das ist wirklich Mist, und, ja, es zitiert die Musik der Boybands der 1990er. Entsprechend abgestraft wurden die ehemaligen Krawallvögel auf ihrer Tour. In Wiesbaden mussten sie von der frisch gebauten Prachthalle des Schlachthofs in die rumpelige Räucherkammer ausweichen. Gut für die treuen Fans, die zudem gleich anstatt mit der aktuellen Single mit dem guten alten „Atlantis to Interzone“ begrüßt wurden. Ein Statement, das den Abend zur Party werden ließ und bei dem es für mich keine Rolle mehr spielte, was diese Jungs musikalisch drauf haben und was nicht.  

08 Motorama – Sometimes
Gleich fünf Doppelungen auf Lieblingen und Live-Lieblingen gibt es im Jahr 2014. Den Anfang machen Motorama, deren Auftritt auf dem nüchtern betrachtet unerträglichen Gutmenschen-Festival „Open Ohr“ in Mainz absolut herausragend war. Scheinbar völlig entrückt zelebrierte die Band ihre Wave-Hymnen vor halbnackten Hippiekindern und introvertierten Musiknerds und entfachte dabei eine mitreißende Energie, die vermutlich nur empfinden kann, wer in den 1980ern sozialisiert wurde. Und zwar nicht in der Friedensbewegung. Ein Hammer.

09 Metronomy – Boy Racers
Die zweite Doppelung, einfach weil ihr Konzert in der Frankfurter Batschkapp zu Beginn des Riesenhypes um ihr Album so herausragend war und das Konzert in Heidelberg am Ende des Jahres zeigte, dass eine reifere, routiniertere und mitunter leicht erschöpft wirkende Band immer noch dieselben Begeisterungsstürme entfachen kann. Neben all den Hits blieb mir aus Heidelberg besonders „Boy Racers“ haften, da es so angenehm an die experimentellen Anfänge der Band als One-Man-Bedroom-Project erinnert.

10 Future Islands – Long Flight
Die dritte Doppelung, einfach weil ihre Konzerte im Hafen 2 und beim Maifeld Derby die kongeniale Entsprechung ihrer Album-Musik waren. Große Geste, Emphase, Pathos – alles in einem Maß, das man mögen muss und das so mancher vielleicht nur als Freakshow begreift. Bei mir kam es an, besonders bei „Long Flight“, einem älteren Stück, das beide Mal den krönenden Abschluss einer energiegeladenen Show darstellte.

11 Messer – Die kapieren nicht
Stellvertretend für das im Jahr 2014 einfach herausragende Phonopop-Festival, das den Rahmen für fantastische Festivalauftritte von The Notwist, Balthazar, WhoMadeWho, The Robocop Kraus und Ja, Panik bot und damit absolut glücklich machend war, ein wunderbarer Song der mir zuvor unbekannten Band Messer. Erfreulich neurotisch, besonders im beängstigenden Echo der zweiten Stimme, treibend und atmosphärisch. Es gibt Hoffnung für deutschsprachige Indiemusik. 

12 Kreisky – Scheiße, Schauspieler
Die vierte Doppelung, einfach weil ihr Konzert im Frankfurter Mousonturm (Studio) so erfrischend aggressiv und aufdringlich war, dass am Ende sogar der Oberklugscheißer im Publikum verstummte. Und „Scheiße, Schauspieler“ ist einfach ein Meisterstück, musikalisch wie textlich. Ich sage nur: „Hoffentlich treffen seine Trümmer die Burgwichser“. Ein denkwürdiger Abend, der meine Kreisky-Phase einläutete, aus der ich auch Ende Januar 2015 noch nicht wieder ganz raus bin.

13 Dirk Darmstaedter – Seashells
20 Zuschauer im Ludwigshafener Haus, selbst die geschickte Platzierung von Stühlen und Bistrotischen konnte nur mühsam kaschieren, dass es schon recht leer war. Nichtsdestotrotz konnte ich nach dem Konzert gleich drei enthusiastische Reviews lesen (Rheinpfalz, regioactive.de und ein Fanblog), und das zu Recht. Dirk Darmstaedter weiß einfach, was er tut; er macht die Musik, die er gerne macht, und das merkt sein Publikum. Als Fan seiner Musik würde ich mich nicht mal bezeichnen, als Fan seiner Konzerte aber auf jeden Fall. Besonders reizvoll an diesem Abend ist die Duobesetzung mit dem bewährten Lars Plogschties am Schlagzeug, besonders nachhaltig blieb mir der Novembersong „Seashells“ im Gedächtnis.

14 Ja, Panik – Alles leer
Ein weiteres Konzert vom Phonopop, das mir im Gedächtnis blieb. Ja, Panik wirken inzwischen ziemlich abgehoben und allürenhaft, was ich aber angesichts der allenthalben anzutreffenden hemdsärmeligen Kumpanei der angesagten Vollbartträger und Hippiemädchen als eher angenehm empfinde. Eine Band, die eine Bühne braucht und kein Wohnzimmer.

15 Anna Aaron – Heathen
Die fünfte Doppelung. Hatte ich mir auf dem Festivalkonzert im Mai ihre Platte erhört, konnte ich mich bei ihrem Clubkonzert in Weinheim im November komplett an der Künstlerin Anna Aaron erfreuen. Unvergessliches Outfit (Leopardenoberteil und rote Pumps), charmant unaufdringliche Ansagen, charismatischer Gesang und ein ständiger Wechsel zwischen Mädchenhaftigkeit und tougher Frau. Da könnte man ja fast noch mal zum Fanboy werden. 

16 Mozes & the Firstborn – I Got Skills
Stellvertretend für alle Konzerte, die insgesamt schon okay waren, die man aber auch schnell wieder vergessen hat und bei denen am Ende ein Song hängen bleibt. Mozes and the Firstborn begegneten mir in diesem Sommer gleich dreimal, und I Got Skills ist ihr Hit. Ein Hit, den man noch vor sich hin oder im Kollektiv mit anderen Festivalbesuchern singt, wenn die Band längst die Bühne verlassen hat.

17 Gabby Young & the Other Animals – Another Ship
Stellvertretend für die Konzerte, auf die ich mit Freikarten gelockt wurde. Paradiesvögelchen Gabby Young wäre nun nicht meine erste Wahl gewesen mit ihren Genrereferenzen Pop, Swing, Weltmusik, Jazz mit Burlesque-Showelementen. Doch der Weg in den Aschaffenburger Colos-Saal hat sich gelohnt, denn der mitreißenden Energie der Dame und ihrer Combo konnte ich mich nicht entziehen. „Another Ship“ fiel eher aus dem Rahmen und ist eine ruhige und persönliche Nummer, wie man der Ansage der Künstlerin entnehmen konnte; ohne den Kontext des Abends vielleicht auch einfach ein ziemliches Schmalzstück, für mich die Erinnerung an ein wunderbares Konzert.

18 Intergalactic Lovers –No Regrets
Neben Balthazar ja meine Lieblingsbelgier, die ich dieses Jahr auch gleich zweimal erleben durfte. Auch hier ergab sich das Erhören der Alben wieder über den Umweg der Konzerte. Objektiv vermutlich einfach eine weitere Indieband, subjektiv für mich große Sympathieträger. Ein gutes Jahr, musikalisch und auch sonst, ich bereue nichts. „No Regrets“. 


Sonntag, 1. Februar 2015

Lieblinge 2014 - Track by Track


01 Die Sonne – Neu erfunden
2014 – alles neu, alles anders? Vermutlich nicht. Aber da Profilbildung und Optimierungswahn aller Orten anzutreffen sind, trifft die aus dem Duo Wolke hervorgegangene Band Die Sonne mit dem Song den Nagel auf den Kopf: „Du schaffst es“-Parolen mit verunsicherter Stimme so wenig überzeugend vorzutragen schafft vermutlich nur Oliver Minck. Ja, es ist die totgesagte Ironie, die auch im Video zum Song so wunderbar zum Tragen kommt.   


02 Future Islands – Seasons Change
Nicht wegen, sondern trotz des Letterman-Auftritts. Ob dieser nur perfektes Kalkül war, um Future Islands vom ewigen Geheimtipp zur Band der Stunde zu machen, ist mir eigentlich egal. Mir ist die Band seit ihrem Auftritt auf dem Phonopop 2011 ans Herz gewachsen, bei dem Samuel T. Herring schon ähnlich überzogen extrovertiert auftrat. Musikalisch elektronisch-artifiziell und an sich leicht verdaulich, gesanglich immer eins drüber und hart an der Grenze zum Pathos – an sich machen Future Islands einfach gute Popmusik, und noch dazu einfach ihr Ding. 

03 Motorama – To the South
Meine Entdeckung des Jahres. Joy Division trifft die frühen Editors, aber ohne sich um Szenecodes zu scheren. „Alps“ und „Calender“ sind zwei so wunderbare Alben, dass es fast unmöglich ist, nur einen Song auszuwählen. „To the South“ ist fast schon unverschämt eingängig und daher die passende Wahl für diese Hitparade. 


04 Balthazar – Leipzig
Zweimal haben sie mich in diesem Jahr live überzeugt, und einmal mehr erschließt sich mir ihre Musik so ganz erst nach den Konzerten. Die Single „Leipzig“ hatte ich zunächst etwas abgetan, doch mit jedem Hören ist mir der Song mehr ans Herz gewachsen,so dass er am Ende hier landen musste.
 

05 Die Sterne – Ihr wollt mich töten
Nach ihrem Disco-Ausflug rudern die Sterne zurück in bekannteres Fahrwasser. Nicht immer überzeugend wie ich finde, doch „Ihr wollt mich töten“, das Duett mit Axel Hacke, hat so einen wunderbaren Italo-Western-Charme und einen so verständlich/unverständlichen Text, dass es nicht nur wegen meiner Anhänglichkeit an diese Band auf dieser Zusammenstellung landen musste. 

06 Metronomy – Reservoir
Das Rosa-Wölkchen-Album Metronomys ist nicht meine Platte des Jahres geworden. Zwar stand das Vinyl einige Monate dekorativ auf dem Präsentierteller im heimischen Wohnzimmer, aber musikalisch ist allein „Reservoir“ ein echtes Lieblingslied geworden.

07 Talking to Turtles – Passenger Seat
Hurra, die Sympathieträger können mich zum ersten Mal auch musikalisch komplett überzeugen. „Split“ ist ein wunderbares Album, das Qualitäten des Duos wie musikalische Zurückhaltung und Intimität beibehält, ohne bei längerem Hören in Langeweile zu münden. Wohldosierte Dynamik und Poppigkeit tragen das Album als Ganzes und machen es zu meiner Lieblingsplatte der Band, und „Passenger Seat“ bringt die genannten Eigenschaften in einem Song auf den Punkt.  

08 Anna Aaron – Stellarling
Mein erstes Hörerlebnis mit Anna Aarons zweitem Album “Neuro” kann man am ehesten als Befremden bezeichnen. Sperriger, lauter, elektronischer ging es da zu. Entsprechend neugierig war ich auf ihren Auftritt auf dem Maifeld Derby, der dann einer der wenigen richtig guten war. Die Emanzipation von der mädchenhaften kleinen Schwester von Sophie Hunger (als die sie mit ihrem ersten Album vor zwei Jahren noch kategorisiert worden war) zur eigenständigen Künstlerin ist ihr hier auf beeindruckende Weise gelungen. Nach dem Konzert hatte ich richtig Lust auf das Album, das dann zu einem der meistgehörten des Jahres wurde. Auch hier fiel die Wahl wieder schwer, doch „Stellaring“ bringt den Spagat zwischen Eingängig- und Sperrigkeit, zwischen Pop und Bloß-kein-Pop!, auf den Punkt. 


09 Indochine – Le fond de l’air est rouge
Bei Indochine bin ich ja immer ein wenig hintendran. „Black City Parade“, das Album aus dem Jahr 2013, hatte ich mir erst nach dem Konzertbesuch im Dezember 2013 zugelegt. Allerdings wurde es dann nach und nach zu einem der meistgehörten des Jahres, denn es vereint die Qualitäten der Band – große Geste im Arrangement, unverschämte Eingängigkeit in der Melodie – ohne es wie der Vorgänger „La République des Météors“ auf die Dauer zu übertreiben. „Le fond de l’air est rouge“ bringt diesen Eindruck auf den Punkt. 

10 WhoMadeWho – The Morning
WhoMadeWho werden wohl auf alle Zeiten mit dem Partykracher „Satisfaction“ in Verbindung gebracht werden. Dieser ist zweifelsohne auch jedes Mal ein Höhepunkt ihrer Konzerte, nur reduziert er die Band auf eine Karnevalscombo, die sie nicht ist. Ihr 2014er-Album „Dreams“ zeigt jedenfalls weitaus größere musikalische Substanz, und „The Morning“ weist eine wohlig melancholische Stimmung auf, deren Charme ich mich nicht entziehen kann.


11 And the Golden Choir – My Brother’s Home
Der Mann mit dem Plattenspieler, erstmals gesehen im Vorprogramm von Slut, überzeugte mich zunächst mit dem originellen Ansatz, live seine Songs statt von einer Band von einer jeweils eigens produzierten Schallplatte spielen zu lassen und dazu selbst ein ausgewähltes Instrument zu spielen und zu singen. Tobias Siebert ist eben auch und vielleicht vor allem Produzent. Dass seine Songs auch ohne den Orginalitätsfaktor sehr gut funktionieren, wurde mir erst allmählich beim heimischen Nachhören klar.  


12 Kreidler – Alphabet
Die Elektronik-Avantgarde der 1990er hat es im von Vollbartträgern mit Klampfe und authentischen Texten dominierten Jahr 2014 nicht so leicht. Wohl dem, dem der Zeitgeist wurscht ist und der Ohren hat zu hören. Wie schon auf „Tank“ und „Den“ entfalten auch die Tracks auf „ABC“ eine sogartige Wirkung. „Da passiert ja nix“, ruft da der songgewöhnte Radiohörer. „Wohl! Hör halt mal hin“, mag man erwidern. Da wird verschoben, variiert, hinzugefügt und weggenommen. Tanzbar ist das Ganze auch, und wenn man dann noch eines der Videos von Heinz Emigholz dazu sieht, ist das Glück perfekt.

Nicht das Video zum Song "Alphabet", dafür aber ein Video zum Album im typischen Emigholz-Stil.

13 The Notwist – Run Run Run
Ein neues Album, ein neues Album! Da kann ich The Notwist ja endlich mal wieder auf die eigentliche Jahrescharts-CD packen und nicht nur auf die Live-Lieblinge. „Close to the Glass“ knüpft recht nahtlos an „The Devil, You & Me“, und das ist auch gut so. Denn die wunderbare Mischung aus Frickeleletronik und Gitarrenhärte, aus Anspruch und wohligster Hörbarkeit ist auch hier wieder da. Wieder eine schwierige Wahl, die auf „Run Run Run“ fiel, denn der Song bringt auf den Punkt, dass Notwist-Songs meist nicht da enden, wo sie begonnen haben.

14 We Have Band – Modulate
Irgendwie mein Song des Jahres. Warum kann ich gar nicht sagen. Ich mag die Band, auch wenn ich praktisch nie ihre Alben höre; ich mag das Video, auch wenn es so gar nicht mein momentanes Leben widerspiegelt; ich mag den Song, obwohl es objektiv gesehen dieses Jahr sicher besser gegeben hat. Trotzdem. 
 

15 Breton – Envy
Was für ein Hochgefühl, als ich Bretons „War Room Stories“ erstmals gehört habe. Energiegeladen wie der Vorgänger, spannende Songs, dazu ein großartiges Artwork. Allerdings ist das Album dann einen Monat später im Regal verschwunden und blieb dort bis zur Zusammenstellung dieses Jahresrückblicks. Hat ein bisschen was von Strohfeuer, auch wenn „Envy“ mich im Dezember wieder daran erinnert hat, was ich im Februar so toll fand.

16 Kreisky – Wir machen uns Sorgen um dich
Meine zweite Entdeckung des Jahres. Laut, anstrengend, schlecht gelaunt – Kreisky sind ein wunderbarer Gegenpol zu den Wohlfühlbands und –barden, die momentan unter dem Label Indie laufen. Arrogant kommen sie rüber, besserwisserisch und so gar nicht gefällig. Ihr Album „Blick auf die Alpen“ enthält teilweise unhörbare Stücke, und ich kann nur sagen: gut so. „Wir machen uns Sorgen um dich“ betrifft mich zudem persönlich, da ich davon ausgehe, das in dem Text dargestellte Gespräch zwischen Eltern und Kind ungefähr so in 12 bis 14 Jahren zu führen. 


17 Jens Friebe – Nackte Angst, zieh dich an, wir gehen aus
Zwar kann ich nur mit der A-Seite seines neuen Albums etwas anfangen, doch hat Jens Friebe einfach als Künstler, der ganz und gar sein Ding macht, auf ewig einen Platz in meinem Herzen, und daher mit dem Song mit diesem wunderbaren Titel auch einen Platz auf meinen Jahrescharts


18 Christian Kjellvander – The Woods
Na gut, ganz frei von einer Vorliebe für eher folkig angehauchte Vollbartträger konnte ich mich dann doch nicht machen im Jahre 2014. Nur dass Christian Kjellvander auf seinem Album „The Pitcher“ eben immer dieses unterschwellig düstere und neurotische Element in seinen Songs hat, das sie für mich reizvoll und anziehend machen. Wer mag, kann ja mal die allerseits gehypten Mighty Oaks zum Vergleich hören. Bei denen kann ich nur an den bekannten Satz aus dem Film „Blues Brothers“ denken: „Wir haben beides, Country und Western“, bei Kjellvander hingegen fließt Blut. Siehe hier:


19 Arthur Beatrice – Ornaments & Safeguard
Meine Entdeckung des Jahres 2013 hat dann mit „Working Out“ 2014 tatsächlich ein Album herausgebracht – das in Deutschland praktisch komplett unbemerkt geblieben ist. Mir egal. Man könnte Arthur Beatrice einen übertriebenen Hang zum Perfektionismus vorwerfen, der das Album manchen kalt oder gar klinisch erscheinen lässt. Ich tue das nicht. Ich ziehe einfach nur meinen Hut vor den perfekten Popsongs, liebe diese Platte und werde „Ornaments & Safeguards“ auf ewig mit einem Nordseeurlaub und meiner kleinen Luise auf dem Arm verbinden. 



Alle Videos sind nach rein subjektiven ästhetischen Kritierien ausgesucht, alle Live-Videos finden sich auf folgendem You-Tube-Kanal: 
https://www.youtube.com/channel/UCkRi9gG0Wy68dRPsDQ4Pyng
und wurden von einem Herrn aufgenommen, den man auf Facebook als Kulturonkel findet.