Donnerstag, 8. Oktober 2009

Cold War Kids

Tom Rob Smith: Child 44

Sechs Seiten Kritikerlob zu Beginn der Taschenbuchausgabe sind selbst für britische Verhältnisse viel. Ist Tom Rob Smith also der neue John Le Carré oder Martin Cruz-Smith? Da ich von beiden nie etwas gelesen habe, kann ich diese Frage nicht beantworten.
Aber auf jeden Fall ist Child 44 ein Hype-Buch. Ein Buch für – sorry, lieber Nachbar meines Freundes Ralf, der du mir das Buch empfohlen hast – ein Buch für Leute, die im Jahr drei Bücher lesen. Dabei ist der Roman natürlich nicht schlecht. Er hält als Thriller über 470 Seiten das Interesse wach und der historische Hintergrund verschafft einer an sich bekannten Serienkiller-Geschichte einen zusätzlichen Reiz. Nur schielt der Thriller schon arg auf die anstehende Big-Budget-Verfilmung von Ridley Scott, wenn immer wieder filmreife, aber auch leider allzubekannte Suspense-Versatzstücke (Flucht im letzten Moment, Verrat durch scheinbare Freunde, Verfolgungsjagden, usw.) in die Handlung eingebaut werden. Diese verläuft zudem absolut geradlinig und überfordert auch den Gelegenheitsleser nicht. Die Überraschungen und Cliffhanger sind oft erahnbar und spannen sich nicht über einen allzugroßen Bogen, so dass ein Leser im Buch, trotz dessen Länge, nie den Überblick verliert.
Was die politisch-historische Ebene betrifft, hat Smith sicherlich gut recherchiert. Nur leider setzt er im Dienste seiner Thriller-Geschichte natürlich auf das Grelle und Reißerische. Zu Beginn des Buches verhungern Menschen in den 30ern in der Ukraine, die eigentliche Handlung spielt dann in der Sowjetunion Stalins, in der die Repräsentanten der Macht einfach alle nur abgrundtief böse sind. Sie werden von irrationelem Hass auf den erfolgreichen Kollegen bzw. von Geilheit auf dessen Frau getrieben. Mit diesen Extremen leistet sich Smith allerdings einen Bärendienst, denn je mehr plakative, böse Sowjetmenschen er aus den Reihen des Geheimdienstes auftauchen lässt, desto unglaubwürdiger erscheint seine Hauptfigur, die zu Beginn an das Gute des kommunistischen Systems glaubt und der erst nach und nach die Augen geöffnet werden. Spätestens auf der Hälfte des Buches fragt man sich dann, wie doof Officer Leo Demidov eigentlich sein muss, dass er all die Korruption, Gier und Schlechtigkeit um ihn herum nicht schon vorher bemerkt hat.
Nein, Smith ist mit Child 44 noch kein Buch gelungen, das das Zeug zum Klassiker hat. Der komerzielle Erfolg sei ihm dennoch gegönnt, denn gute Unterhaltung ist Child 44 trotz alledem. Daher: Erwartungen runter und die ersten sechs Seiten zügig überblättern.

Sonntag, 4. Oktober 2009

Da sind wir Helden

The Rakes beehren Pontypool, West-Germany

Ja, ja, ja! So muss das sein. Eine Stunde spielen und gerade mal eine Zugabe hinterher. Die Kommunikation mit dem Publikum beschränkt sich auf ein manchmal recht ironisch wirkendes „Thank You“. Und trotzdem glücklich, glücklich, glücklich. Hier geht`s halt um Musik(, auch wenn dir das nicht liegt).
Und The Rakes sind eben nicht die Sportfreunde Stiller, die ihre Konzerte durch gemütvolle Schwänke und Mutterwitz zu echten Gemeinschaftserlebnissen machen, besonders, wenn sie „Vierunnpfümpfzick“ (Julius Dillmann) spielen... Oder Sir Toby, die Vorband der Rakes, die wohl am lokalen Entega-Newcomer-Wettbewerb teilgenommen hat, und bei der Erwähnung des Namens Entega herumulkt, das wäre jetzt aber „krasse Scheichwerbung“ gewesen. Ja, spitze. That’s Entertainment.
Das Konzept der Rakes ist ein britisches. Straff, knapp, druckvoll. Keine Pausen zwischen den Songs (ach was, Hits, Hits, Hits, muss es heißen) und ein stetes Crescendo mit nur wenigen Verschnaufpausen bis zu „The World Was A Mess, But His Hair Was Perfect“. „Strasbourg“ gibt’s als Nachschlag, und wer entgeistert auf die Uhr schaut, hat einfach nichts begriffen.
Thanks for coming, sage ich da stellvertretend für die anderen 30 begeisterten Zuhörer und Abgeher. Und es war so – jawohl, ich schreib’s auch wenn ich das Wort sonst im Schriftgebrauch meide – GEIL, dass die anderen 100 Scheintoten und die 20 Rhein-Main-Egomanen, eine besondere Spezies von Konzertgängern, die sich vor allem im Raum Frankfurt / Darmstadt findet, und die sich dadurch auszeichnet, dass sie sich bei Konzertveranstaltungen zu Beginn des ersten Songs in die vorderen Reihen drängt, um dort lauthals und ausdauernd Ereignisse aus ihrem Langweilerleben gegen die Musik der Band anzugröhlen, ... äh...wo war ich... also diese anderen haben nicht weiter gestört.
It was nineteeneightynine, nineteeneightynine nineteeneightynine nineteeneightynine, lalalalalala, lalalalalalalala, …

The Rakes - 1989 - Dir Steve Glashier 2009 from Steve Glashier on Vimeo.